Wien (OTS) – Anlässlich des morgigen Tags der Menschenrechte machen
FIAN
Österreich und die Österreichische Armutskonferenz auf einen neuen
zivilgesellschaftlichen Bericht zur Umsetzung des UN-Sozialpakts in
Österreich aufmerksam. Anfang 2026 wird Österreich in Genf geprüft.
Bürgergesellschaftliche Organisationen können in diesem Rahmen
Parallelberichte verfassen, um Umsetzungsdefizite darzulegen.
Der aktuelle Parallelbericht macht deutlich, dass soziale Grundrechte
in Österreich weder verfassungsrechtlich abgesichert noch einklagbar
sind. Internationale Menschenrechtsverträge, wie der UN-Sozialpakt
oder die Europäische Sozialcharta spielen in der Rechtsprechung
praktisch keine Rolle. Das österreichische Verfassungsrecht enthält –
anders als zum Beispiel das Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland – weder soziale Grundrechte, noch eine
Sozialstaatsklausel oder einen speziellen Grundrechtsschutz für
sozialrechtliche Leistungen.
Zwtl.: Soziale Sicherheit
Gleichzeitig wird die soziale Sicherung durch Kürzungen und
mangelnde Anpassungen an reale Lebenshaltungskosten ausgehöhlt. Die
Sozialhilfe weist jetzt schon grobe Probleme auf, die kaum öffentlich
Thema sind: Entscheidungsfristen sind zu lang, Härtefallhilfen
fehlen, Wohnkosten sind zu hoch, Menschen mit Behinderungen wird die
Selbständigkeit verwehrt. Besonders hart treffen diese Defizite
Gruppen, die bereits ein hohes Armuts- und Ausgrenzungsrisiko tragen
– darunter Alleinerziehende, Familien mit mehreren Kindern, Menschen
mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen und Geflüchtete.
Geplante bundes- und landespolitische Reformen drohen die Situation
weiter zu verschärfen.
„Die Streichungen treffen alle, auch wenn die politisch
Verantwortlichen das zu verschleiern versuchen“, betont Sozialexperte
Martin Schenk von der Armutskonferenz, z.b in der Steiermark: Kürzung
der Wohnkostenpauschale, des Höchstsatzes, des Bonus für
Alleinerziehende sowie des Behindertenzuschlages.“ Die aktuellen und
geplanten Kürzungen greifen das unterste soziale Netz massiv an – und
treffen genau jene Menschen, die jetzt schon kaum über die Runden
kommen. Während die Lebenshaltungskosten steigen, werden zentrale
Leistungen gekürzt oder demontiert. Das widerspricht klar dem
Menschenrecht auf soziale Sicherheit.
Zwtl.: Recht auf Nahrung
„Besonders alarmierend sind die Entwicklungen beim Recht auf
Nahrung“, ergänzt Sozioökonomin Anna Wagner von FIAN Österreich.
Bereits jetzt erleben rund 1,1 Millionen Menschen in Österreich
Ernährungsunsicherheit; 420.000 müssen Mahlzeiten auslassen oder
konnten zeitweise einen ganzen Tag nichts essen. Gleichzeitig steigt
die Abhängigkeit von Lebensmittelausgaben durch Hilfsorganisationen:
„Das Recht auf Nahrung ist ein fundamentales Menschenrecht – wenn
Menschen in Österreich Mahlzeiten auslassen müssen, wird dieses Recht
durch politisches Versagen verletzt. Solche Rechte sind aber faktisch
in Österreich nicht einklagbar, und gerade dadurch fehlt ein
wirksamer Schutz vor Armut und Hunger. FIAN Österreich fordert
deshalb eine Politik, die Menschenrechte wirksam umsetzt und nicht
weiter abbaut.“, so Wagner.
Der zivilgesellschaftliche Parallelbericht zeigt: Österreich
benötigt dringend einen menschenrechtlichen Kurswechsel. Soziale
Menschenrechte müssen rechtsverbindlich geschützt, staatliche
Leistungen existenzsichernd ausgestaltet und politische
Entscheidungen menschenrechtskonform getroffen werden.
Hintergrund : Derzeit läuft die 6. Staatenprüfung des zuständigen
UN-Fachausschusses zur Umsetzung des UN-Sozialpakts in Österreich.
Zivilgesellschaftliche Organisationen können im Rahmen dessen sog.
Parallelberichte verfassen, um Umsetzungsdefizite darzulegen. Diese
Parallelberichte tragen somit wesentlich dazu bei, dass der Ausschuss
ein realistisches Bild über die Menschenrechtslage im Land bekommt
und geeignete Empfehlungen aussprechen kann. Prüfungen finden im
Rhythmus von fünf Jahren statt. Österreich wurde zuletzt 2013
geprüft, hat seinen aktuellen Staatenbericht erst mit sechs Jahren
Verspätung Mitte 2024 abgegeben und wird deshalb Anfang 2026 vom UN-
Fachausschuss geprüft. Zu diesem Anlass wurde ein
zivilgesellschaftlicher Parallelbericht mit Analysen verfasst,
koordiniert durch FIAN Österreich und der Österreichische
Armutskonferenz. Mitgeschrieben weiters: BAWO
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Österreichischer
Behindertenrat, Bundesjugendvertretung, Österreichischer
Berufsverband der Sozialen Arbeit, Bundesjugendvertretung,
Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger, pro mente Austria,
arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreich, SOS Mitmensch,
caringeconomy.jetzt, HeVio-Health and Violence.
SERVICE
fian_parallelbericht_wsk-rechte_osterreich.pdf