Sterbe- und Suizidhilfe darf kein Ersatz für fehlende psychiatrische Versorgung sein

Wien (OTS) – Rund um Allerseelen rückt die Österreichische
Gesellschaft für
Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP) ein besonders
sensibles Thema in den Fokus: den Umgang mit Sterbe- und Suizidhilfe.
In ihrem aktuellen Positionspapier betont die ÖGPP, dass Todeswünsche
häufig Ausdruck einer tiefen existenziellen Notlage sind und nicht
vorschnell als autonome Entscheidung gewertet werden dürfen.

„Sterbewünsche entstehen meist aus Angst, Einsamkeit,
Kontrollverlust oder der Sorge, zur Last zu fallen. Diesen Motiven
muss mit Zuwendung, therapeutischer Begleitung und palliativer
Unterstützung begegnet werden“, so Prim. Dr. Christa Rados,
Vorstandsmitglied der ÖGPP und Mitverfasserin des aktuellen
Positionspapieres. Die ÖGPP fordert daher den Ausbau psychiatrischer
und palliativer Angebote in Österreich. Gerade bei körperlich
schwerkranken oder terminal erkrankten Menschen seien psychiatrische
Symptome häufig, aber auch behandelbar – eine adäquate Diagnostik und
multiprofessionelle Therapie könne den Wunsch nach einem vorzeitigen
Lebensende in vielen Fällen relativieren.

Zudem kritisiert die Fachgesellschaft die pauschale Verwendung
des Begriffs „Sterben in Würde“ für den assistierten Suizid: „Dieser
Begriff suggeriert, dass ein natürlicher Sterbeprozess weniger
würdevoll sei – das lehnen wir entschieden ab“, betont Prim. Dr.
Rados. Auch die Art und Weise der medialen Berichterstattung über
Suizid und assistierten Suizid steht im Fokus. Der sogenannte
„Werther-Effekt“ – also das Risiko von Nachahmungssuiziden nach
bestimmten medialen Darstellungen – ist wissenschaftlich gut belegt.
Die ÖGPP ruft daher zu verantwortungsvoller, nicht-romantisierender
Berichterstattung auf.

Das nun veröffentlichte Positionspapier macht deutlich, dass die
ÖGPP das Recht auf Selbstbestimmung respektiert, gleichzeitig aber
auf die besondere Vulnerabilität von Menschen in psychischen Krisen
hinweist. „Sterbehilfe darf niemals als Ersatz für eine unzureichende
psychiatrische Versorgung verstanden werden“, betont Prim. Dr.
Christian Korbel, Präsident der ÖGPP. „Psychische Erkrankungen wie
Belastungsreaktionen oder Depressionen sind behandelbar –
entscheidend ist, dass Betroffene rasch, niedrigschwellig und
kompetent Hilfe finden. Psychische Gesundheit, Würde und
Selbstbestimmung dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“

Das Positionspapier der ÖGPP zur Sterbe- und Suizidhilfe in
Österreich wurde online veröffentlicht: Link