Private Gesundheitsausgaben auf Rekordniveau: Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien fordert gezielte Strukturreformen

Wien (OTS) – Die heute präsentierten neuen Zahlen der Statistik
Austria zu den
Gesundheitsausgaben 2024 zeigen einen historischen Höchststand: Mit
57 Milliarden Euro (+8 % zum Vorjahr) und einem BIP-Anteil von 11,8 %
erreicht das österreichische Gesundheitssystem ein neues
Ausgabenniveau. Gleichzeitig sinkt der Anteil öffentlicher
Finanzierung weiter – von 76,7 % auf 76,3 %. Die Kammer für Ärztinnen
und Ärzte in Wien sieht Handlungsbedarf bei der Ausrichtung des
Systems: Es fließt zwar mehr Geld, aber nicht dorthin, wo es ankommen
soll.

„Österreich investiert so viel wie nie in seine
Gesundheitsversorgung – das ist einerseits ein starkes Signal,
andererseits ein Warnruf“, so Johannes Steinhart, Präsident der
Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien und der Österreichischen
Ärztekammer. „Wir brauchen dringend eine Rückbesinnung auf eine
öffentliche, menschliche Medizin: wohnortnah, solidarisch, ärztlich
geführt – statt profitorientiert zentralisiert.“

Besonders alarmierend: Während die Bevölkerung in Wien seit 2012
um rund 16 % gewachsen ist, ist die Zahl der Kassenärztinnen und
Kassenärzte im selben Zeitraum um 11 % gesunken. Die Kammer für
Ärztinnen und Ärzte in Wien fordert daher gezielte Investitionen in
eine für Patientinnen und Patienten bestmögliche Versorgung sowie
bessere Planbarkeit für Ärztinnen und Ärzte und faire Honorierung.

„Die Zahlen zeigen deutlich, wie stark das System unter Druck
steht – gerade im niedergelassenen Bereich“, so Naghme Kamaleyan-
Schmied, Vizepräsidentin und Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte
der Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien. „Niedergelassene
Ärztinnen und Ärzte sind für Menschen die zentrale Anlaufstelle im
solidarischen Gesundheitssystem. Damit das auch so bleibt, müssen wir
den Kassenbereich endlich stärken – mit fairen Rahmenbedingungen und
weniger Bürokratie“, ist Kamaleyan-Schmied, die selbst als
Allgemeinmedizinerin eine Kassenordination in Wien-Floridsdorf
betreibt, überzeugt. „Viele Patientinnen und Patienten flüchten
bereits in die private Krankenversicherung, weil das solidarische
System weder die Terminsicherheit, moderne Leistungen, noch die
geforderte Zuwendungsmedizin sicherstellt. Wenn der Anteil privater
Ausgaben weiter steigt, wird sich die Zwei-Klassen-Medizin
verschärfen. Medizinische Qualität darf nicht von der Geldbörse
abhängen. Es ist an der Zeit zu handeln und mutig zu sein, bevor das
Kassensystem endgültig kollabiert.“

Auch aus Sicht der angestellten Ärztinnen und Ärzten ist klar:
Mehr Geld bringt auch mehr Verantwortung.

„Ein BIP-Anteil von 11,8 % verpflichtet uns zu einer ehrlichen
Diskussion: Was bringt wirklich Versorgung? Wie lenken wir
Patientinnen und Patienten sinnvoll durch das System?“, kommentiert
Eduardo Maldonado-González, Vizepräsident und Kurienobmann der
angestellten Ärzte der Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien. „Um
Effizienz, Qualität und Finanzierbarkeit der Versorgung zu sichern,
ist es aus Sicht der Kurie angestellte Ärzte notwendig, die Menschen
so durch das Wiener Gesundheitssystem zu begleiten, dass sie die für
sie beste Versorgungseinheit finden – ob im niedergelassenen Bereich,
in einer Spitalsambulanz oder im Krankenhaus.

Weiters wird seitens Eduardo Maldonado-González betont: „Es
reicht nicht, nur mehr Geld ins System zu pumpen – wir müssen es auch
dort einsetzen, wo es Wirkung zeigt: bei den Menschen, die tagtäglich
medizinische Versorgung sicherstellen. Noch immer warten angestellte
Ärztinnen und Ärzte des Wiener Gesundheitsverbunds auf die Umsetzung
des angekündigten Zweier-Gehaltspakets, das spürbare Verbesserungen
bei Arbeitszeit, Entlohnung und Arbeitsbedingungen bringen soll.
Solange diese Maßnahmen fehlen, bleibt die Lücke zwischen Anspruch
und Realität bestehen. Wenn wir nicht gezielt gegensteuern, verlieren
wir nicht nur Geld – wir verlieren Vertrauen. Wir brauchen mutige
Strukturreformen, die Qualität sichern und ärztliches Handeln
stärken.“