Wien (PK) – Zum Auftakt des letzten Sitzungstags vor Tagungsende
werden die
Abgeordneten über außenpolitische Themen wie die Lage im Gazastreifen
und die UN-Sicherheitskandidatur Österreichs diskutieren. Zudem
stehen die Einführung von Orientierungsklassen für zugewanderte
Kinder und schulpflichtige Jugendliche mit wenig Bildungserfahrung
sowie die Anpassung mehrerer Gesetze aus dem Verkehrsbereich an EU-
Vorgaben auf der Tagesordnung . Auch über den ÖBB-Rahmenplan, ein
Volksbegehren zur ORF-Haushaltsabgabe und ein von den Grünen
vorgeschlagenes Verbot von Konversionsmaßnahmen bei bestimmten
Personengruppen werden die Abgeordneten beraten.
Darüber hinaus könnte der von der FPÖ verlangte „ÖVP-
Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss“ auf Schiene gesetzt werden.
Voraussetzung dafür ist, dass der Geschäftsordnungsausschuss die
Ampel rechtzeitig auf Grün stellt.
Fragestunde
Die Sitzung startet um 9.00 Uhr mit einer Fragestunde mit
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger.
Einbindung des Parlaments in Kandidatur Österreichs für UNO-
Sicherheitsrat
Ein von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen gemeinsam eingebrachter
Entschließungsantrag zielt darauf ab, das Parlament aktiv in die
Kandidatur Österreichs für einen nicht-ständigen Sitz im UNO-
Sicherheitsrat für die Jahre 2027/2028 einzubinden. Dabei könnten die
parlamentarischen internationalen Kontakte genutzt werden, heißt es
in der Initiative. Angestoßen werden außerdem regelmäßige
Informationen von Außenministerin Beate Meinl-Reisinger an den
Nationalrat über Schwerpunkte und den Fortgang der Kandidatur.
Angesichts zahlreicher internationaler Organisationen mit Sitz in
Wien und Österreichs Tradition als neutraler Vermittler sehen die
Abgeordneten eine besondere Verantwortung des Landes für den
Multilateralismus. Die FPÖ bemängelte im Ausschuss, dass der
Kostenaufwand für die Bewerbung zu hoch angesetzt sei und stimmte
gegen den Antrag.
Mitverhandelt mit dem Entschließungsantrag wird eine FPÖ-
Initiative, in der mehr Transparenz bei der Finanzierung von
internationalen Organisationen durch private Akteure gefordert wird.
Sie wurde im Ausschuss von den anderen Fraktionen allerdings
abgelehnt. Die entsprechende Transparenz sei bereits in den
Budgetinformationen gegeben, so der Tenor der anderen Parteien.
Entschließung zur Autonomiereform in Südtirol
Auf Basis eines Vier-Parteien-Antrags haben ÖVP, SPÖ, NEOS und
Grüne im Außenpolitischen Ausschuss außerdem eine Entschließung zu
Südtirol gefasst. Im Rahmen der dort laufenden Autonomiereform sollen
die deutsch- und ladinischsprachigen Volksgruppen in Südtirol
gegenüber der italienischen Regierung weiterhin aktiv vonseiten
Österreichs in Ausübung seiner Schutzfunktion unterstützt werden,
fordern sie. Der Reformprozess wird von ihnen grundsätzlich positiv
gesehen, zumal unter anderem geplant sei, verlorene Kompetenzen, etwa
durch die italienische Verfassungsreform 2001, wiederherzustellen.
Den vier Parteien sind außerdem regelmäßige Informationen von
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger über den Reformprozess ein
Anliegen.
Demgegenüber ortet die FPÖ in den Reformplänen eine teilweise
Abkehr von jenen Autonomiestandards, die mit der Streitbeilegung
zwischen Österreich und Italien 1992 erreicht wurden. Eine Rückkehr
zu diesen Standards sollte ihr zufolge eine verbindliche Grundlage
für jede Reform des Autonomiestatuts bilden. Einen erneuten Anlauf
machen die Freiheitlichen außerdem für die Möglichkeit einer
Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler:innen. Beide Anträge der FPÖ
blieben im Ausschuss jedoch gegen die Stimmen der Dreierkoalition und
der Grünen in der Minderheit.
Humanitäre Hilfsleistungen in den Gazastreifen
Zur Debatte steht im Plenum weiters eine Entschließung, mit der
sich der Außenpolitische Ausschuss einstimmig für einen ungehinderten
Zugang für humanitäre Hilfsleistungen in den Gazastreifen und für die
Einhaltung des Völkerrechts vonseiten Israels ausspricht. Mit einem
Abänderungsantrag im Ausschuss wurde mehr Bezug auf eine Beteiligung
der Vereinten Nationen an der Verteilung der Hilfsgüter genommen.
Initiiert wurde die Entschließung von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen.
Ihnen geht es etwa auch darum, dass diplomatische Bemühungen für
einen dauerhaften Waffenstillstand unterstützt werden und die
Zweistaatenlösung vonseiten Österreichs weiterhin bekräftigt wird.
Auch wenn dieses Ziel derzeit weit entfernt liege, sei die
Zweistaatenlösung die beste Chance für die Bekämpfung von Extremismus
und für langfristige Sicherheit im Nahen Osten, so die gemeinsame
Haltung.
Einführung von Orientierungsunterricht
Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen hat sich der
Bildungsausschuss auf Vorschlag der Regierung für die Einführung von
Orientierungsunterricht ausgesprochen. Zugewanderte, quereinsteigende
Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter, die keinerlei
Vorerfahrung aus einem beständigen Bildungssystem haben, sollen
künftig für die Dauer von maximal sechs Monaten in
Orientierungsklassen auf den Unterricht im österreichischen
Schulsystem vorbereitet werden. Dafür können laut Gesetzentwurf
eigene, auch klassen-, schulstufen-, schulstandort- und
schulartübergreifende Gruppen eingerichtet werden. Der Übertritt in
eine Deutschförderklasse soll flexibel erfolgen. Bildungsminister
Christoph Wiederkehr betonte im Ausschuss, dass es sich beim
Orientierungsunterricht um eine „Sonderform der Deutschförderklassen“
handeln werde. Orientierungsklassen sollen je nach Bedarf – also
nicht flächendeckend – etabliert werden.
Zudem soll durch eine Änderung des Hochschulgesetzes die
Einführung digitaler Studierendenausweise an Pädagogischen
Hochschulen ermöglicht werden. Für Universitäten wurde das bereits im
Juni beschlossen. In das Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetz
werden neue Ausbildungsangebote für Elementarpädagog:innen
aufgenommen.
Abgelehnt wurde ein mit diesem Thema zusammenhängender Antrag der
Grünen. Darin plädiert die Oppositionspartei insbesondere dafür, dass
gruppenführende Elementarpädagog:innen in Zukunft auf tertiärer Ebene
ausgebildet werden sollen. Ein „grundständiges Bachelorstudium“ liege
bereits seit längerem fertig konzipiert vor, dieses sollte ausgerollt
werden, fordern sie.
ÖBB-Rahmenplan 2025 bis 2030
Mit dem ÖBB-Rahmenplan 2025 bis 2030 wird der laufende Ausbau des
Schienennetzes im Wesentlichen fortgesetzt. 19,7 Mrd. Ꞓ – bzw. 3,2
Mrd. Ꞓ bis 3,3 Mrd. Ꞓ pro Jahr – stehen in den kommenden sechs Jahren
für Investitionen in die Schieneninfrastruktur zur Verfügung.
Allerdings soll es aufgrund der notwendigen Budgetkonsolidierung zur
Verschiebung bzw. Streckung von mehreren Projekten kommen. Überdies
ist geplant, in Abstimmung mit den betroffenen Bundesländern
bestimmte sehr schwach nachgefragte Regionalbahnstrecken auf
Busverkehr mit gleicher Angebotsdichte umzustellen. Die größten
Projekte bleiben weiterhin der Brenner-Basistunnel, dessen
Inbetriebnahme für 2032 vorgesehen ist, und der Semmeringbasistunnel,
dessen Fertigstellung für 2030 avisiert wird. Zudem sollen in den
kommenden Jahren einige neue Bauprojekte wie die Verbindung Ostbahn –
Flughafenschnellbahn, der viergleisige Ausbau zwischen Wien Meidling
und Mödling und der Pielachtunnel bei Melk starten.
Kritik am Rahmenplan kam im Verkehrsausschuss insbesondere von
den Grünen. Sie orten signifikante verkehrspolitische Rückschritte
beim Bahnausbau und sprachen von einem „Sparen an der falschen
Stelle“. Auch die FPÖ stimmte gegen den von Verkehrsminister Peter
Hanke vorgelegten Bericht.
Anpassung des Schifffahrtsgesetzes an EU-Vorgaben
Das Schifffahrtsgesetz soll an neue EU-Richtlinien angepasst
werden, die in Zusammenhang mit der Verwirklichung des
transeuropäischen Verkehrsnetzes stehen. Damit soll sichergestellt
werden, dass in diesem Sinne Verfahren zu einschlägigen Vorhaben
prioritär behandelt werden können. Geplant sind auch
Verwaltungsvereinfachungen, etwa bei der Verlängerung von
Befähigungsausweisen. Außerdem werden die Bestimmungen über Passagier
– und Fahrgastrechte neu gefasst. Mit der Novelle wird überdies eine
Anpassung im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz vorgenommen, um
Genehmigungsverfahren von Projekten der transeuropäischen
Energieinfrastruktur rascher umsetzen zu können. Zudem sollen künftig
alle zuständigen Behörden ein Verzeichnis über die gewerbsmäßige
Schifffahrt führen. Im Ausschuss wurde die Novelle unter
Berücksichtigung eines Abänderungsantrags mit rechtlichen
Präzisierungen mit den Stimmen der Koalitionsparteien angenommen.
Anpassungen an EU-Recht im Transportgewerbe
Eine geplante Novellierung von Gesetzesbestimmungen, die das
Transportgewerbe betreffen, soll Änderungen der gemeinsamen EU-Regeln
für die Zulassung zum Beruf „Kraftverkehrsunternehmer:in“ und für den
Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs
bringen. Viele der erforderlichen Adaptierungen wurden laut dem
zuständigen Bundesministerium bereits 2022 im Güterbeförderungsgesetz
vorgenommen. Nun sollen in diesem Gesetz sowie im
Gelegenheitsverkehrsgesetz und im Kraftfahrliniengesetz weitere
Anpassungen an EU-Recht erfolgen. Im Verkehrsausschuss kündigte ein
Vertreter der Koalitionsparteien an, dass dazu vor der
Beschlussfassung im Plenum noch ein Abänderungsantrag zu erwarten
sei. Die Vorlage passierte den Ausschuss mit den Stimmen von ÖVP,
SPÖ, NEOS und Grünen.
Mautvignette für Wechselkennzeichen
Im Verkehrsausschuss abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der
FPÖ, mit dem sich die Freiheitlichen dafür einsetzen, dass auch
herkömmliche Klebevignetten – genauso wie digitale Vignetten – für
alle Fahrzeuge mit demselben Wechselkennzeichen nutzbar sein sollen.
Sie sehen derzeit in diesem Punkt eine Diskriminierung von Menschen,
die keine digitale Vignette nutzen möchten, und kritisierten, dass
mit dem Kauf einer digitalen Vignette der digitale Fußabdruck nur
noch größer werde. Im Ausschuss stimmte nur die FPÖ für den Antrag.
Vonseiten der Koalitionsparteien hieß es, dass keine Diskriminierung
vorliege, da die Vorteile einer digitalen Vignette für jeden nutzbar
seien und man diese etwa auch an einer Tankstelle bekommen könne.
Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Gemäß einer zwischen den Fraktionen getroffenen Vereinbarung soll
auch das von der FPÖ gestellte Verlangen auf Einsetzung eines „ÖVP-
Machtmissbrauch-Untersuchungsausschusses“ auf die Tagesordnung
kommen. Zum einen will die FPÖ den „Fall Pilnacek“ und zum anderen
den behördlichen Umgang mit Corona-Demonstrationen und „regierungs-
und maßnahmenkritischen Bürgern“ durchleuchten. Dabei hat sie vor
allem die ÖVP im Visier, ihrer Meinung nach liegt der Verdacht auf
Machtmissbrauch vor. Allerdings hat der Geschäftsordnungsausschuss
noch nicht darüber entschieden, ob er den Untersuchungsgegenstand für
verfassungskonform hält. Vor allem der Themenmix stößt bei vielen auf
Skepsis. Laut ÖVP soll die laufende Prüfung aber bald abgeschlossen
sein.
Gibt der Geschäftsordnungsausschuss grünes Licht, hat er
gleichzeitig auch die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses zu
bestimmen, den grundsätzlichen Beweisbeschluss zu fassen sowie den
Verfahrensrichter bzw. die Verfahrensrichterin zu wählen. Mit Beginn
der Debatte im Nationalrat wäre der Untersuchungsausschuss damit
automatisch eingesetzt. Anderenfalls hat die FPÖ die Möglichkeit, den
Verfassungsgerichtshof anzurufen.
Abstimmung über Geschäftsordnungsnovelle
Über eine von den fünf Parteien gemeinsam vorgeschlagene Novelle
zum Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats findet nur noch die
letzte Abstimmung statt. Die Beratungen darüber werden bereits am
Mittwoch stattfinden. Es geht um die Anpassung der NR-
Geschäftsordnung an das neue Grundrecht auf Information, wobei bei
Geschäftsordnungsnovellen zwischen Zweiter und Dritter Lesung 24
Stunden liegen müssen.
Volksbegehren „ORF-Haushaltsabgabe nein“
Schon mehrfach haben Bürger:innen in Form von Volksbegehren die
Abschaffung der ORF-Gebühren gefordert. Nun liegt den Abgeordneten
ein weiteres Volksbegehren zu diesem Thema vor. Exakt 102.160
Österreicherinnen und Österreicher drängen darauf, von der mit 1.
Jänner eingeführten ORF-Haushaltsabgabe wieder Abstand zu nehmen. Die
Haushaltsabgabe sei „unsachlich und unfair“, da sie auch von jenen
bezahlt werden müsse, die den ORF gar nicht konsumieren, machen die
Initiator:innen rund um Robert Marschall geltend. Zudem werfen sie
dem ORF vor, nicht sachlich, objektiv, umfassend und ausgewogen zu
berichten und damit gegen den Programmauftrag zu verstoßen. Im Plenum
findet nun eine erste Debatte über das Anliegen statt. Danach wird
das Volksbegehren dem Verfassungsausschuss zur weiteren Beratung
zugewiesen.
Erste Lesung zu Konversionsmaßnahmen-Schutz-Gesetz
In einer weiteren Ersten Lesung werden sich die Abgeordneten mit
einem Gesetzesvorschlag der Grünen befassen, der darauf abzielt,
Betroffene vor Konversionsmaßnahmen zu schützen. Konversionsmaßnahmen
oder konversiv-reparative Praktiken sind Maßnahmen, die eine
Veränderung der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität
zum Ziel haben. Geht es nach den Grünen, soll die Durchführung
solcher Maßnahmen bei vier Personengruppen verboten werden: bei
Minderjährigen, bei jungen Erwachsenen unter 21 Jahren bei Ausnützung
einer Zwangslage oder eines Mangels an Urteilsvermögen, bei nicht-
entscheidungsfähigen bzw. wehrlosen Personen sowie bei Vorliegen
eines besonderen Autoritätsverhältnisses. Eine Einwilligung der
betroffenen Person oder ihrer gesetzlichen Vertreter:innen sollte
nicht wirksam sein, so die Grünen. Als Strafe bei Verstößen schlagen
sie bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe von bis zu
720 Tagsätzen vor. Auch ein Werbe- und Provisionsverbot ist im
Gesetzesentwurf vorgesehen. Darunter soll auch jegliche Form der
Anbahnung fallen.
Nicht vom Verbot umfasst sein sollen wissenschaftlich anerkannte
Behandlungen von Störungen der Sexualpräferenz oder von sogenannten
paraphilen Störungen, etwa Pädophilie oder Voyeurismus. Auch fachlich
fundierte Behandlungsmöglichkeiten, deren Ziel die Steigerung des
Selbstwerts von lesbischen, schwulen, bisexuellen oder nicht-
cisgender Personen ist, sollen vom Gesetz unberührt bleiben.
Weiterberaten werden soll über den Antrag im Justizausschuss. Der
Gleichbehandlungsausschuss hat über einen gleichlautenden Antrag
bereits diskutiert, wobei die Verhandlungen vorerst vertagt wurden. (
Schluss TOP im Nationalrat) mbu/gs
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können
auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand
in der Mediathek des Parlaments verfügbar.