„Österreich-Preisaufschlag“: HV & GPA fordern im Schulterschluss EU-weites Verbot territorialer Lieferbeschränkungen!

Wien (OTS) – Seit vielen Jahren kämpfen der Handelsverband und die
Gewerkschaft
GPA für ein freies und faires Warenangebot im europäischen
Binnenmarkt. Ein Verbot territorialer Lieferbeschränkungen zählt
daher zu den Kernforderungen im PLAN H des österreichischen Handels.

Anfang Mai 2025 war es dann – fast – so weit: In einer geleakten
Version der neuen EU-Binnenmarktstrategie stand schwarz auf weiß, die
Kommission werde bis Ende 2026 einen Gesetzesvorschlag erarbeiten, um
territoriale Lieferbeschränkungen der globalen
Nahrungsmittelindustrie in Europa zu verbieten.

EU-Kommission verwässert Binnenmarktstrategie – auf Kosten von
450 Millionen Konsument:innen

In der am 21. Mai veröffentlichten finalen Version der
Binnenmarkstrategie war jedoch völlig überraschend nur noch die Rede
davon, dass die EU-Kommission bis Ende 2026 „Instrumente zur
Bekämpfung ungerechtfertigter territorialer Lieferbeschränkungen“
erarbeiten werde, um jene Praktiken zu erfassen, „die über die vom
Wettbewerbsrecht erfassten hinausgehen.“

Warum kam es im letzten Moment zu dieser Aufweichung – in einem
für die europäische Handelsbranche und für die 450 Millionen
europäischen Konsument:innen so zentralen Punkt? Es darf vermutet
werden, dass Vertreter der multinationalen Markenindustrie ihre
Finger im Spiel hatten.

Territorial Supply Constraints multinationaler Industriekonzerne
halten Preise künstlich hoch

Territoriale Lieferbeschränkungen (sogenannte Territorial Supply
Constraints , kurz TSCs ) sind von bestimmten großen Herstellern
auferlegte Beschränkungen, die es Einzelhändlern sehr schwer oder
unmöglich machen, Produkte in einem Mitgliedsstaat zu kaufen und in
einem anderen weiterzuverkaufen.

Die TSCs erlauben es internationalen Produzenten bislang,
Produkte in unterschiedlichen Märkten zu unterschiedlichen Preisen
anzubieten. „Diese länderspezifischen Vertriebsstrategien – gerade im
Lebensmittelbereich – treffen den österreichischen Handel mit voller
Wucht. Unsere Unternehmen dürfen nicht dort einkaufen, wo es am
günstigsten wäre. Die Zeche zahlen letztlich die Konsument:innen, die
für Alltagsgüter wie Lebensmittel, Kosmetik oder Reinigungsmittel
deutlich mehr zahlen müssen als beispielsweise in Deutschland“,
erklärt Barbara Teiber , Vorsitzende der Gewerkschaft GPA.

Österreichische Händler müssen in der Beschaffung um bis zu 60%
höhere Preise bezahlen

„Tatsache ist, dass über 90 Prozent der Beschaffung im
Lebensmitteleinzelhandel im EU-Binnenmarkt nach wie vor national
erfolgt. Das liegt vor allem an den Praktiken der multinationalen
Nahrungsmittelindustrie, den EU-Binnenmarkt entlang nationaler
Grenzen künstlich zu segmentieren und so den internationalen Einkauf
faktisch unmöglich zu machen“ , bestätigt Rainer Will ,
Geschäftsführer des freien, überparteilichen Handelsverbands.

Wenn beispielsweise ein österreichischer Händler den Haarspray
eines multinationalen Produzenten einkaufen möchte, geht das nur über
die nationale Vertriebsgesellschaft des jeweiligen Multis. Der
Haarspray kostet für den österreichischen Händler in der Beschaffung
3,20 Euro – ein deutscher Händler zahlt für denselben Haarspray nur 2
Euro als Einkaufspreis.

Die Großhandelspreise in kleinen Ländern wie Österreich sind
aufgrund dieser TSC-Praktiken im Regelfall signifikant höher als jene
in großen Ländern wie Deutschland. Dies gilt übrigens für die meisten
kleineren Länder in Europa, also auch für Dänemark, Belgien oder
Luxemburg. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat in ihrer
Branchenuntersuchung der gesamten Lebensmittel-Wertschöpfungskette
einen „Österreich-Aufschlag“ bei Markenartikeln von zumindest 15 bis
20% gegenüber dem deutschen Preisniveau ermittelt, der auf diese
Praktik der internationalen Industriekonzerne zurückgeht.

„Unsere österreichischen Händler müssen in der Beschaffung
zurzeit je nach Produkt um bis zu 60 Prozent höhere Preise bezahlen
als deutsche Händler. Dieser Österreich-Preisaufschlag ist ein
Körberlgeld der multinationalen Markenartikelindustrie“ , sagt Rainer
Will .

TSC-Verbot würde faire Einkaufsbedingungen in Europa
sicherstellen

„Laut einer EU-Studie könnten Konsument:innen durch die
Abschaffung dieser Lieferbeschränkungen bis zu 14 Milliarden Euro
jährlich sparen. Gerade in wirtschaftlich fordernden Zeiten wäre das
eine spürbare Entlastung für Millionen Menschen in Europa – und ein
überfälliger Schritt hin zu faireren Preisen für alle“ , so Barbara
Teiber .

In den letzten Jahren haben die EU-Behörden immer wieder mit
Strafen gegen entsprechende Verstöße reagiert. Der
Nahrungsmittelmulti Mondelez wurde beispielsweise im Mai 2024 zu
einem Bußgeld von 334 Mio. Euro wegen der Behinderung des
grenzüberschreitenden Handels verurteilt. Anheuser-Busch InBev (AB
InBev), die größte Brauereigruppe der Welt, wurde bereits 2019 mit
200 Mio. Euro Bußgeld bestraft. Gegen Procter & Gamble (P&G) laufen
zurzeit Ermittlungen der EU-Wettbewerbskommission wegen des Verdachts
auf unzulässige Marktabschottung .

GPA & HV fordern rasche Umsetzung der EU-Binnenmarktstrategie

Aber: Bei weitem nicht alle Praktiken fallen unter den Schirm des
EU-Kartellrechts. Der Handelsverband und die Gewerkschaft GPA
begrüßen deshalb, dass die EU-Kommission künftig gegen alle TSCs
vorgehen will – auch jene, die bislang nicht vom Wettbewerbs- bzw.
Kartellrecht erfasst sind. Sowohl GPA als auch HV fordern daher eine
rasche gesetzliche Umsetzung der Binnenmarktstrategie – auf EU-Ebene
und in der nationalen Anwendung.

„Die Ankündigung der EU-Kommission in der Binnenmarktstrategie
ist noch nicht das Gelbe vom Ei, aber zumindest ein erster Schritt
Richtung Fairness für den österreichischen Einzelhandel und die
heimischen Konsument:innen. Es ist ein Gebot der Stunde, endlich für
gleiche Einkaufsbedingungen für Händler in allen Mitgliedstaaten zu
sorgen und die künstlichen Preisdifferenzen zwischen den europäischen
Ländern zu reduzieren, für die der heimische Handel oft zu Unrecht
kritisiert wird“ , ist Handelssprecher Rainer Will überzeugt.

Territoriale Lieferbeschränkungen befeuern hohe Inflation in
Österreich

Gerade in Zeiten hoher Inflation – die Inflationsrate in
Österreich liegt im Juni laut Statistik Austria bei 3,3% und damit
erneut deutlich über dem Niveau Deutschlands sowie der Eurozone –
wäre die Beendigung derartiger Praktiken ein zentraler Schritt zu
mehr Fairness für den österreichischen Einzelhandel und die
heimischen Konsument:innen.

„Viele multinationale Hersteller wollen um jeden Preis an ihren
länderspezifischen Preisstrategien festhalten – auf Kosten der
Konsument:innen. Denn ihre Gewinnmaximierung bedeutet für uns alle
höhere Preise im Regal. Es ist höchste Zeit, diese Diskriminierung zu
verbieten. Das wäre ein wesentlicher Beitrag zur Senkung der hohen
Inflation“ , sagt Barbara Teiber .

Ein gemeinsames Foto finden Sie unter dem folgenden Link:
https://flic.kr/p/2rh9Ay9 © GPA/Edgar Ketzer