Nationalrat: Kopftuchverbot in Schulen für Mädchen bis 14 Jahren mehrheitlich beschlossen

Wien (PK) – Mehrheitlich stimmte der Nationalrat heute für eine
Schulrechtsnovelle , die ein Kopftuchverbot an Schulen gesetzlich
verankert. Zum „Schutz der kindgerechten Entwicklungs- und
Entfaltungsfreiheit“ wird es demnach Schülerinnen bis zu ihrem 14.
Geburtstag untersagt, in der Schule ein Kopftuch zu tragen, das „das
Haupt nach islamischen Traditionen verhüllt“. In Kraft treten sollen
die Bestimmungen zum Kopftuchverbot mit 1. September 2026, wobei ab
Februar eine Aufklärungsphase starten soll. Die Gesetzesnovelle sieht
außerdem die Einführung einer Suspendierungsbegleitung für vom
Unterricht ausgeschlossene Schülerinnen und Schüler vor.
Verpflichtende Perspektivengespräche sollen zudem künftig dazu
beitragen, Schulabbrüche zu verhindern.

Neben den Regierungsfraktionen stimmten auch die Freiheitlichen
für die Gesetzesnovelle. Diese geht der FPÖ allerdings nicht weit
genug. Die Freiheitlichen brachten daher im Zuge der Debatte einen
Entschließungsantrag ein, mit dem sie ein Kopftuchverbot sowie ein
Verbot „einer Verschleierung“ in öffentlichen Pflichtschulen für das
„gesamte schulische Personal, insbesondere Lehrerinnen“, forderten.
Der Antrag blieb mit ihren Stimmen in der Minderheit.

Keine Zustimmung zur Gesetzesnovelle gab es von den Grünen, die
zwar Handlungsbedarf sehen, aber die vorgelegten Bestimmungen für
nicht verfassungskonform halten.

Mehrheitliche Zustimmung gab es für einen Entschließungsantrag
der Regierungsparteien hinsichtlich der Entwicklung von klaren
Standards und Abläufen für den Umgang mit herausfordernden
Situationen an Schulen. So soll etwa sichergestellt werden, dass der
Chancenbonus, die Suspendierungsbegleitung, die Perspektivengespräche
sowie Schulpsychologie, Schulsozialarbeit und weiteres psychosoziales
Supportpersonal im gesamten Bundesgebiet bedarfsgerecht,
nachvollziehbar und vollumfänglich eingesetzt werden. Ausgangspunkt
für die Entschließung waren Initiativen der Grünen und der FPÖ, die
selbst jedoch keine Mehrheit fanden. So hatten die Grünen gefordert,
zur Konfliktprävention sowie zur Entlastung des Lehrpersonals
Schulsozialarbeit und Schulpsychologie auszubauen. Die FPÖ hatte
einen “ 9-Punkte-Plan für eine gewaltfreie Schule“ vorgelegt, der
Maßnahmen zur Prävention, Konflikt-Resilienz und Deeskalation
umfasst.

Wiederkehr: Schule muss Ort der Entfaltung sein

Bildungsminister Christoph Wiederkehr betonte, dass die Schule
ein angstfreier Raum der Entfaltung sein müsse. Konflikte in den
Klassenzimmern hätten jedoch zugenommen, wie an der zunehmenden Zahl
der Suspendierungen von Schülerinnen und Schülern abzulesen sei.
Daher sei ihm persönlich eine Suspendierungsbegleitung ein großes
Anliegen, sagte Wiederkehr. Schülerinnen und Schüler, die wegen
Gewalt aus der Schule ausgeschlossen wurden, sollen künftig begleitet
und in den Klassenverband reintegriert werden. Dies sei ein
„Paradigmenwechsel“, wie mit Gewalt in den Klassenzimmern umgegangen
werde, sagte Wiederkehr. Er zeigte sich zuversichtlich, dass das in
der Gesetzesnovelle enthaltene Kopftuchverbot in der Schule für
Mädchen bis 14 Jahre verfassungskonform sei. Es handle sich um eine
Abwägung von Grundrechten, sagte Wiederkehr und betonte, dass jungen
Mädchen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden müsse. Zudem
verwies er auf Begleitmaßnahmen wie beispielsweise Bubenarbeit,
psychosoziale Unterstützung und Kinderschutzkonzepte.

Plakolm: Aufklärungsphase in Schulen ab Februar

Integrations- und Familienministerin Claudia Plakolm bezeichnete
das Kopftuchverbot an Schulen als „historischen Schritt, wenn es um
den Schutz von Mädchen“ gehe. Denn junge Mädchen sollten ohne
vorgeschriebene Rollenbilder aufwachsen können und nicht vermittelt
bekommen, dass ihr Körper etwas Schlechtes sei, das verdeckt werden
müsse. Daher werde „null Toleranz“ gegenüber allen gezeigt, die
Mädchen in ihrer Entwicklung hindern wollen, so Plakolm. Sie kündigte
an, dass im Februar mit Beginn des neuen Semesters eine
wissenschaftlich begleitete Aufklärungsphase an den Schulen starten
werde und bei Druck und Drohungen „frühzeitig eingegriffen“ werden
solle. Die „Sanktionsphase“ starte im September mit dem Schuljahr
2026/27 und sei damit gut vorbereitet, meinte Plakolm.

Bei einem erstmaligen Verstoß gegen das Verbot hat die
Schulleitung laut Gesetzesentwurf unverzüglich mit der betroffenen
Schülerin und ihren Erziehungsberechtigten ein klärendes Gespräch zu
führen. Kommt es danach wieder zu einem Verstoß, ist die zuständige
Schulbehörde zu verständigen, die erneut zu einem Gespräch einladen
muss. Bei einem weiteren Verstoß muss der zuständige Kinder- und
Jugendhilfeträger verständigt werden. Als letzte Konsequenz ist eine
Geldstrafe von 150 Ꞓ bis 800 Ꞓ vorgesehen. Im Fall der
Uneinbringlichkeit ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu zwei
Wochen vorgesehen.

FPÖ fordert Kopftuchverbot auch für Lehrerinnen und Schulpersonal

Die Regierungsvorlage greife die langjährige Forderung der FPÖ
nach einem Kopftuchverbot auf, sagte Hermann Brückl (FPÖ). Ein
solches Verbot sei „keine Einschränkung“, sondern ermögliche es
Mädchen, „später selbst zu entscheiden“, so Brückl. Er meinte, dass
die Ursache für die aktuellen Probleme in der „verfehlten
Massenzuwanderung“ liegen würde. Der von der Regierung vorgelegte
Gesetzesentwurf zum Kopftuchverbot für Mädchen an Schulen sei laut
Brückl „halbherzig“ ausgefallen, denn Lehrerinnen und Schulpersonal
dürfen demnach weiterhin mit Kopftuch in Schulen arbeiten. Dies sei
inakzeptabel, da jede und jeder, der in der Schule auftritt,
„neutral“ sein und die Grundwerte vorleben müsse, so Brückl.
Christoph Steiner (FPÖ) stellte die Frage, warum das Gesetz nicht als
Verfassungsgesetz beschlossen werde und bezeichnete die
Gesetzesnovelle als „nur Husch-Pfusch und Kosmetik“. Steiner warf der
Regierung vor, „nur das marginal Mindestnötigste“ zu machen und
brachte einen Entschließungsantrag ein, mit dem ein Kopftuchverbot
auch für Lehrerinnen und Schulpersonal gefordert wurde. Es brauche
ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam, meinte Ricarda Berger
(FPÖ) und betonte, dass Unterdrückung von Mädchen und Frauen nicht
mit deren 14. Lebensjahr enden würde und die Gesetzesnovelle daher
nur „ein erster Schritt“ sein könne und weitere Maßnahmen folgen
müssten.

Grüne: Schnelle, multiprofessionelle Teams in Schulen einsetzen

Jedes Mädchen habe ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und
es gebe „tatsächlich ein Problem mit dem Kinderkopftuch in Schulen“,
sagte Sigrid Maurer (Grüne). Die Idee, das Kinderkopftuch zu
verbieten, sei laut Maurer „absolut richtig“, allerdings verstoße der
vorgelegte Gesetzesentwurf gegen die Verfassung, meinte sie.
„Absichtlich“ ein verfassungswidriges Gesetz vorzulegen, sei ein
absolutes No-Go, so Maurer und betonte, dass es die dringende
Notwendigkeit gebe, zu handeln. Ihre Fraktion schlage daher den
Einsatz von schnellen, multiprofessionellen Teams in Schulen vor, in
die auch die islamische Glaubensgemeinschaft eingebunden sein sollte.
Außerdem kritisierte Maurer, dass die Gesetzesnovelle auch Änderungen
für die Interessenvertretung von Schülerinnen und Schülern mit sich
bringe. Denn unter anderem ist künftig statt einem „Recht auf
Mitentscheidung bei der Antragstellung auf Ausschluss eines Schülers“
künftig nur ein „Recht auf Anhörung im Verfahren über den Ausschluss“
vorgesehen. Dies sei ein „fataler Fehler“ und „absolut falsche
Signal“ an Schülervertreterinnen und Schülervertreter, so Maurer.
Ihre Fraktionskollegin Barbara Neßler forderte, dass über Bubenarbeit
gesprochen werden solle – denn ein Gesetz, das nur auf das
„Kopftuchverbot ohne echte Begleitung“ hinauslaufe, verschiebe nur
das Problem, meinte sie.

ÖVP: Kinderrechte klar priorisieren

Die Abwägung von Grundwerten sei juristisch heikel, sagte Nico
Marchetti (ÖVP). Bei einem Verbot des Kinderkopftuchs müsse die
Abwägung von Religionsfreiheit und der Wahrung der Kinderrechte,
zugunsten der Kinderrechte ausfallen, meinte er. Es sei wichtig, ein
„Symbol zu setzen“ – denn Extremismus dürfe keinen Platz in der
Schule haben und Kinderrechte müssten „ganz klar priorisiert“ werden,
so Marchetti. Beim Kopftuchverbot gehe es nicht um ein Stück Stoff,
sondern um die Frage, ob man akzeptiere, dass Kinder ein Symbol der
weiblichen Unterordnung tragen sollten, sagte Ernst Gödl (ÖVP). Dabei
gehe es nicht um Religion, denn keine „theologische Expertise“ weise
darauf hin, dass im Kindesalter ein Kopftuch zu tragen sei, so Gödl.
Seine Fraktionskollegin Agnes Totter ging darauf ein, dass für
suspendierte Schülerinnen und Schüler eine strukturierte Begleitung
und Reintegration wichtig seien und es dabei auch auf die Einbindung
der Eltern ankomme. Denn bei diesen liege die Hauptverantwortung. Die
Schule habe nur eine „Mitwirkungspflicht an der Erziehung“, betonte
Totter und meinte, dass Eltern viel mehr in die Verantwortung
gebracht werden müssten.

SPÖ: Mädchen weiter stärken und Burschenarbeit umsetzen

Das Kind müsse im Mittelpunkt stehen und es müsse alles getan
werden, dass es keinem Zwang ausgesetzt werde, sagte Christian
Oxonitsch (SPÖ). Bei der Arbeit der Pädagoginnen habe laut Oxonitsch
die Qualität im Mittelpunkt zu stehen – und nicht, ob sie ein
Kopftuch tragen. Die Frage müsse sein, ob eine Pädagogin Herz und
Empathie habe und das entsprechende Wissen und Engagement mitbringe,
meinte Oxonitsch. Er unterstrich weiters, dass diese Gesetzesnovelle
kein „Endpunkt“ sei, denn es gebe viel zu tun, um Mädchen weiter zu
stärken und effektive Burschenarbeit umzusetzen. Heinrich Himmer (SPÖ
) betonte, dass Schülerinnen und Schüler künftig mit der
Suspendierungsbegleitung und den verpflichtenden
Perspektivengesprächen begleitet werden, sodass sie ein erfolgreiches
Leben führen können. Denn Pädagogik brauche Beziehung und es gehe
darum, junge Menschen vor einem „frühen Karriereende“ zu schützen, so
Himmer. Zu dem von der FPÖ vorgelegten „9-Punkte-Maßnahmenkatalog für
eine gewaltfreie Schule“ sagte Petra Tanzler (SPÖ), dass es viele der
geforderten Maßnahmen bereits gebe oder diese in Vorbereitung seien.

NEOS: Mädchen bestimmen selbst über ihren Körper

Es gehe beim Kopftuchverbot an Schulen nicht um die Beschränkung
von Freiheit, sondern um Schutz der Freiheit, betonte Yannick Shetty
(NEOS). Denn sogenannte Sittenwächter würden versuchen, Mädchen
vorzuschreiben, wie sie sich zu verhalten hätten. An diese gerichtet
sagte Shetty: „In Österreich entscheidet nicht ihr über den Körper
von Mädchen, sondern die Mädchen selbst“. Martina von Künsberg Sarre
(NEOS) ging auf die Bedeutung von Suspendierungsbegleitung ein und
betonte, dass die aktive Einbindung der Eltern wichtig sei. Ihre
Fraktionskollegin Fiona Fiedler nannte frühe Wissensvermittlung über
psychische Gesundheit als „unumgänglich“. Denn fehlen unterstützende
Strukturen oder werde zu spät eingegriffen, würden Konflikte
eskalieren. Gute Prävention wirke laut Fiedler daher doppelt – denn
sie würde Schülerinnen und Schüler schützen und Lehrkräfte entlasten.
(Fortsetzung Nationalrat) bea

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