Wien (PK) – Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN)
wird künftig
etwa zur Abwehr von Terroranschlägen oder Spionage verschlüsselte und
unverschlüsselte digitale Kommunikation überwachen können. Nach
intensiven öffentlichen und parlamentarischen Debatten brachte die
Koalition das umfangreiche Gesetzespaket nun auch durch den Bundesrat
.
Während die Koalitionsparteien und Staatsschutz-Staatssekretär
Jörg Leichtfried die Novelle als notwendigen Schritt zur
Modernisierung der Befugnisse des Verfassungsschutzes und zur
besseren Bekämpfung von Terrorismus und Spionage bezeichneten,
äußerten Bundesrät:innen der FPÖ und der Grünen teils massive
verfassungsrechtliche und sicherheitspolitische Bedenken. Hingewiesen
wurde insbesondere auf das aus ihrer Sicht hohe Missbrauchsrisiko bis
hin zur Überwachung unbescholtener Bürger:innen. Die Koalition
verwies hingegen auf ein mehrstufiges Rechtsschutzsystem und betonte,
dass es sich nicht um eine Maßnahme zur Massenüberwachung handle. Bei
einer von der FPÖ verlangten namentlichen Abstimmung sprachen sich 40
Bundesrät:innen für und 19 gegen den Gesetzesentwurf aus.
Ein ebenfalls von der FPÖ im Zuge der Debatte eingebrachter
Entschließungsantrag, die DSN sowie die Landesämter für Staatsschutz
und Extremismusbekämpfung ausreichend stark personell und budgetär
auszustatten, um der wachsenden Bedrohung durch islamistischen
Terrorismus begegnen zu können, blieb in der Minderheit.
Neben der Messenger-Überwachung passierten auch drei
Regierungsvorlagen, die die Umsetzung von EU-Regularien für die
Finanzmärkte betreffen, die Länderkammer. Einstimmig davon
beschlossen wurden Vorgaben für mehr Transparenz für Wertpapiermärkte
sowie Neuerungen zur EU-Clearinglandschaft. Mit breiter Mehrheit
wurden Klarstellungen für den Bankensektor getroffen. Ein in der
Sitzung eingebrachter Entschließungsantrag der Grünen, zentrale
Elemente der KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungs-
Maßnahmen-Verordnung) weiterhin gesetzlich zu verankern, wurde
abgelehnt.
Einstimmig und ohne Debatte sprachen sich die Bundesrät:innen für
ein Übereinkommen im Rahmen der Polizeikooperationskonvention für
Südosteuropa („PCC SEE“) aus, mit dem der automatisierte Austausch
von DNA-, Fingerabdruck- und Fahrzeugregisterdaten zwischen den
Behörden der Partnerstaaten sichergestellt werden soll. Ein
ergänzendes Änderungsprotokoll zum Übereinkommen soll darüber hinaus
datenschutzrechtliche Bedenken der Europäischen Kommission ausräumen
und ein bereits initiiertes Vertragsverletzungsverfahren wieder
beenden.
Einhellige Zustimmung fand ebenso eine Änderung des
Bundestheaterorganisationsgesetzes (BThOG). Mit der Novelle sollen
die verbliebenen „pensionsbehördlichen Zuständigkeiten“, die die
Bundestheater-Holding GmbH infolge der Ausgliederung der
Bundestheater nach dem Bundestheaterpensionsgesetz wahrnimmt, an die
BVAEB übertragen werden.
Grundzüge der Messenger-Überwachung
Die sogenannte Messenger- bzw. Gefährder-Überwachung soll laut
Regierungsvorlage ausschließlich der Abwehr besonders schwerwiegender
verfassungsgefährdender Angriffe als Ultima Ratio dienen und strengen
rechtlichen und technischen Kontrollvorgaben unterliegen. So sollen
Nachrichtenüberwachungen etwa nur dann erlaubt sein, wenn für das
betreffende Delikt eine Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren
droht oder es um Spionage geht. Zudem ist ein mehrstufiges
Rechtsschutzsystem vorgesehen, in dem insbesondere das
Bundesverwaltungsgericht (BVwG) sowie ein:e unabhängige:r
Rechtsschutzbeauftragte:r zentrale Prüf- und Genehmigungsaufgaben
erhalten sollen. Weitere geplante Neuerungen betreffen die
Flexibilisierung der Aufgabenzuteilung innerhalb der DSN, die
Möglichkeit, polizeiliches Einschreiten zur Sicherung
nachrichtendienstlicher Aufgaben aufzuschieben, die Erweiterung des
Deliktskatalogs, Berichtspflichten an das Parlament und flankierende
Änderungen etwa im Telekommunikationsgesetz.
FPÖ will Abschiebungen statt Überwachung kritischer Bürger:innen
Die „digitale Totalüberwachung“ sah FPÖ-Bundesrätin Sandra Jäckel
aus Vorarlberg „vor der Tür stehen“. Was der Bevölkerung als
Terrorabwehr verkauft werde, bedeute in Wahrheit einen „massiven
Eingriff“ in die Grund- und Freiheitsrechte mit erheblichem
Missbrauchspotenzial. Die Wahrung der Sicherheit brauche zwar „starke
Instrumente“, doch müssten diese gezielt wirken und dürften nicht die
„Überwachung aller Bürger“ ermöglichen, mahnte Jäckel. Sie stieß sich
zudem daran, dass der Begriff „Islamismus“ in der Regierungsvorlage
nicht vorkomme und stattdessen von „verfassungsgefährdenden
Angriffen“ die Rede sei. Mit derartigen Begriffen seien auch
Gegner:innen der COVID-19-Maßnahmen bedacht worden, erinnerte Jäckel
und warnte davor, dass die Überwachung auch auf kritische
Bürger:innen abzielen könnte.
Diese Sorge teilten auch Andreas Guggenberger (FPÖ/W), der von
einer „digitalen Neuauflage der Karlsbader Beschlüsse“ sprach, und
Günter Pröller (FPÖ/OÖ). Noch dazu hätte keiner der bisherigen
Anschläge damit verhindert werden können, merkte Pröller an. Im
vergangenen Jahr sei bei den islamistisch motivierten Straftaten ein
Anstieg um mehr als 40 % zu verzeichnen gewesen. Um wirklich bei der
„Ursache des Terrors“ – der „illegalen Masseneinwanderung“ –
anzusetzen, wären eine Abschiebeoffensive sowie ein Verbot des
politischen Islams notwendig, erklärten sowohl Pröller als auch
Werner Gradwohl (FPÖ/St), der die Messenger-Überwachung ebenfalls nur
als „Symptombekämpfung“ sah, bei der der „Missbrauch vorprogrammiert“
sei. Man habe aus der Corona-Pandemie gelernt und wolle insbesondere
dem ÖVP-geführten Innenministerium kein solches Instrument in die
Hand geben, erklärte Andreas Arthur Spanring (FPÖ/NÖ) und
konstatierte: „Vertrauen ist keine politische Kategorie.“
Grüne warnen vor schleichender Ausweitung der Überwachung
Elisabeth Kittl (Grüne/W) zeigte sich verwundert über die
„flammenden Reden“ der Freiheitlichen gegen den „Bundestrojaner“, den
sie vor einigen Jahren noch selbst hätten einführen wollen. FPÖ-
Parteiobmann Herbert Kickl habe in seiner Zeit als Innenminister
sogar explizit die Messenger-Überwachung gefordert. In Richtung
Koalition verwies Kittl auf die Kritik zahlreicher Organisationen und
Expert:innen im Rahmen des Begutachtungsverfahrens. Diese hätten
Zweifel daran geäußert, dass die einzusetzende Software so beschränkt
werden könne, dass nur einzelne Messenger-Dienste und nicht das
gesamte Handy überwacht werde. Diese „Handy-Überwachung“ hätten die
Grünen in fünf Jahren Regierungszeit entschieden abgelehnt, erklärte
Kittl.
Kritik übte sie auch daran, dass für die Einbringung der Software
bewusst Sicherheitslücken genutzt würden, die auch von Kriminellen
oder „nicht wohlgesinnten Geheimdiensten“ missbraucht werden könnten.
Zudem warnte Kittl, dass solche Überwachungsmöglichkeiten
„schleichend ausgeweitet“ werden und demokratiefeindlichen Strömungen
in die Hände fallen könnten.
Koalition sieht zeitgemäße Instrumente für den Verfassungsschutz
höchst an der Zeit
Es sei höchst an der Zeit, einen „nüchternen Blick“ auf die
Realität zu werfen, konstatierte Barbara Prügl (ÖVP/OÖ). Die
österreichischen Sicherheitsbehörden hätten im internationalen
Vergleich bisher „nur wenig Befugnisse“ gehabt und geplante
Anschläge, wie jener auf das Taylor-Swift-Konzert im Vorjahr, hätten
nur durch Hinweise ausländischer Nachrichtendienste verhindert werden
können. Daher müssten die heimischen Behörden mit „modernem Werkzeug“
nun handlungsfähig gemacht werden, erklärte Prügl. Sowohl sie als
auch Sandra Lassnig (ÖVP/K) betonten, dass es sich jedoch um keine
Massenüberwachung handle.
Es sei „unbestritten“, dass die Messenger-Überwachung einen
Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte darstelle, zeigte Harald
Himmer (ÖVP/W) Verständnis für die Bedenken der Opposition. Daher
habe man auch eine Reihe an Maßnahmen zur Sicherung des
Rechtsschutzes in die Novelle mitaufgenommen. Weniger verständlich
sei jedoch, dass dieselben, die nun vor Grundrechtseinschnitten
warnten, auch Teil der „Jagd- und Vernaderungsgesellschaft“ etwa
gegen Sebastian Kurz, Gernot Blümel, Hartwig Löger, Heinz-Christian
Strache oder Josef Pröll gewesen seien. Keinem der Genannte habe ein
„Fehlverhalten“ nachgewiesen werden können und trotzdem seien etwa
mit der Veröffentlichung von SMS ihre Rechte verletzt worden,
plädierte Himmer dafür, nicht mit „zweierlei Maß“ zu messen.
Als „wichtiges Werkzeug zur Spionage- und Terrorbekämpfung“ sah
Dominik Reisinger (SPÖ/OÖ) die Messenger-Überwachung und bemängelte,
dass die Opposition neben ihrer Kritik keine alternativen
Lösungsvorschläge biete. Vor allem die FPÖ beharre auf ihrer Rolle
als „Fundamentalopposition“ und agiere „destruktiv und unsachlich“.
Österreich müsse auf globale Veränderungen reagieren und Gefährdern
in technologischer Hinsicht „auf Augenhöhe“ begegnen, so Reisinger.
Wenn nur ein einziger Terroranschlag mit Hilfe der Messenger-
Überwachung verhindert werden könne, sei deren Einsatz
gerechtfertigt. Reisinger ging auch auf die zahlreichen rechtlichen
und technischen Kontrollvorgaben für den Einsatz ein.
Leichtfried: Verfassungsschutz braucht „stählerne Spitzen“ gegen
Bedrohungen
Von einer besorgniserregenden Änderung der weltpolitischen
Ordnung sprach auch Staatssekretär Jörg Leichtfried. Globale Krisen
und Kriege würden nun zunehmend auch in Österreich Wirkungen
zeitigen. Die Gefahren durch Desinformation, Radikalisierung – die
über soziale Medien bereits im Kinderzimmer beginne – und Terrorismus
seien größer geworden. Die Republik müsse diesen Entwicklungen auch
mit zeitgemäßen Mitteln entgegentreten können, so Leichtfried. Der
Verfassungsschutz brauche „stählerne Spitzen“, wovon eine die
Messenger-Überwachung sein könne.
„Selbstverständlich“ handle es sich dabei um einen
Grundrechtseingriff, jedoch nicht um eine Möglichkeit zur
Massenüberwachung, betonte auch Leichtfried das vorgesehene
Rechtsschutzsystem. Die Überwachung solle zudem nur bei Delikten zum
Einsatz kommen, bei denen Freiheitsstrafen von mindestens zehn Jahren
drohten. Dies betreffe „potenzielle Mörder und Totschläger“, so
Leichtfried, und keine kritischen Bürger:innen. Die Messenger-
Überwachung könne zwar keine Anschläge mit Sicherheit verhindern,
solle jedoch deren Wahrscheinlichkeit verringern und dazu beitragen,
dass potenzielle Attentäter sich „unsicherer fühlen müssen“.
Umsetzung von EU-Vorgaben für Finanzmärkte
Grünes Licht gab der Bundesrat auch für Gesetzesänderungen im
Finanzbereich. Die beschlossenen Änderungen im Börse- und
Wertpapieraufsichtsgesetz sollen die Transparenz an den
Wertpapiermärkten erhöhen, um Anreize für mehr
Investitionstätigkeiten innerhalb der europäischen Union zu schaffen.
Vereinfacht wird insbesondere der Grenzwert für die Ausnahme von der
Vorhandelstransparenz von Eigenkapitalinstrumenten. Der bisherige
„double volume cap mechanism“ wird durch eine einzelne Schwelle
ersetzt. Zur stärkeren Vereinheitlichung der Vor- und
Nachhandelstransparenz wird der Ermessensspielraum der zuständigen
Behörden hinsichtlich der Aufschübe von Veröffentlichungen
abgeschafft. Darüber hinaus passt der umfassende Gesetzesentwurf
bereits bestehende Strafbefugnisse der Finanzmarktaufsicht an die
neuen bzw. geänderten Transparenzverpflichtungen der betroffenen
Unternehmen an.
Die Regierungsvorlage zur EU-Clearinglandschaft zielt darauf ab,
die Aufsicht über zentrale Gegenparteien zu stärken und
Zulassungsverfahren zu vereinfachen. Ebenso soll die Abwicklung und
Abwicklungsdisziplin von Wertpapiertransaktionen vereinfacht und eine
effiziente Aufsichtsstruktur geschaffen werden. Dazu sollen die
Strafbestimmungen im Zentralen Gegenparteien-Vollzugsgesetz
erweitert, die Obergrenzen für das Ausfallrisiko geändert, das
Konzentrationsrisiko verringert und eine effizientere
Aufsichtsstruktur bezüglich der Lieferungs- und
Abwicklungsdienstleistung geschaffen werden.
„Wichtige und dringende Klarstellungen für die österreichische
Bankenlandschaft “ nimmt die Regierung schließlich im Sanierungs- und
Abwicklungsgesetz sowie im Immobilien-Investmentfondsgesetz vor. So
sollen in Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben Kreditinstitute und
Kreditinstitutsgruppen dazu verpflichtet werden, eine
Mindestanforderung an Eigenmitteln und berücksichtigungsfähige
Verbindlichkeiten zu erfüllen. Damit sollen die Verlustabsorption,
Rekapitalisierung und Abwicklungsfähigkeit verbessert werden, ohne
dass dabei öffentliche Mittel eingesetzt werden. (Schluss) wit/mbu
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können
auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand
in der Mediathek des Parlaments verfügbar.