Wien (OTS) – Laut WHO können derzeit nur rund zehn Prozent des
globalen
Transplantationsbedarfs gedeckt werden – weil es einerseits an
Spenderorganen fehlt und weil andererseits nur ein Bruchteil der
gespendeten Organe tatsächlich genutzt wird. Um diesem
Ungleichgewicht zu begegnen, konzentriert sich die Forschung
zunehmend auf die Entwicklung neuer Methoden zur Beurteilung,
Erhaltung und nötigenfalls Reparatur von Spenderorganen. Ein
internationales Fachgremium unter maßgeblicher Beteiligung von
Andreas Zuckermann von der MedUni Wien hat diese neuartigen
medizinischen Strategien nun analysiert, um gespendete Organe besser
nutzbar zu machen. Die Übersichtsarbeit wurde im Top-Journal „The
Lancet“ publiziert.
Im aktuell veröffentlichten Teil der „Lancet“-Artikelserie zum
Thema Organspenden erörtert das hochkarätige wissenschaftliche Team
Möglichkeiten zur genaueren Beurteilung der
Transplantationstauglichkeit und zur aktiven Verbesserung der
Qualität von Spenderorganen. Im Fokus stehen dabei neue technische
Verfahren wie die sogenannte Perfusion: Dabei werden entnommene
Organe außerhalb des Körpers mit einer speziellen Flüssigkeit
durchströmt, um ihre Funktion zu testen, zu erhalten oder sogar zu
verbessern. „Ein Großteil der gespendeten Organe wird heute aus Sorge
um deren Qualität nicht transplantiert – allein in den USA werden
jährlich rund 50.000 potenziell transplantierbare Organe verworfen“,
sagt Studien-Mitautor Andreas Zuckermann von der Universitätsklinik
für Herz- und Thorakale Aortenchirurgie der MedUni Wien. „Dabei
zeigen neue wissenschaftliche Untersuchungen, dass viele dieser
Organe mit geeigneten Maßnahmen sehr wohl für eine Transplantation
geeignet wären.“
Perfusion als entscheidender Fortschritt in
Transplantationsmedizin
Zur Bewertung der Organfunktion vor der Transplantation kommen neben
bildgebenden Verfahren und biochemischen Parametern zunehmend auch
funktionelle Tests und histologische Analysen zum Einsatz. Bei der
Perfusion kann zusätzlich der Stoffwechsel des Organs überwacht und
gezielt beeinflusst werden. So lassen sich beispielsweise
Entzündungsreaktionen reduzieren, vorhandene Virusinfektionen
unschädlich machen oder die Blutgruppe ändern. „Diese Entwicklungen
zeigen, dass wir immer besser in der Lage sind, Organe nicht nur zu
beurteilen, sondern auch aktiv zu verbessern“, sagt Andreas
Zuckermann über die Fortschritte in der Transplantationsmedizin. Als
mögliche künftige Lösung wird auch die Xenotransplantation (
Transplantation tierischer Organe) diskutiert – insbesondere die
Verwendung genetisch modifizierter Schweineorgane, die bereits in
ersten klinischen Studien getestet werden.
Die moderne Organtransplantation begann mit der erfolgreichen
Nierentransplantation zwischen eineiigen Zwillingen im Jahr 1954.
Seither haben Fortschritte in Chirurgie, Immunologie und
Intensivmedizin dazu beigetragen, Transplantationen zu einer
etablierten Therapie für viele schwerkranke Patient:innen zu machen.
Dennoch bleibt der Mangel an Spenderorganen eine zentrale
Herausforderung – während gleichzeitig gespendete Organe oftmals
nicht genutzt werden. In Europa betrifft das z. B. 21 Prozent der
gespendeten Nieren oder 58 Prozent der Herzen. Medizinische
Strategien, mit denen die Zahl tatsächlich transplantierbarer Organe
erhöht und die Wartezeiten für Patient:innen verkürzt werden soll,
sind nur ein Teil der Lösung: „Die Herausforderung liegt nicht allein
in der medizinischen Machbarkeit, sondern auch in ethischen,
organisatorischen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen“, so
Zuckermann, dessen Beteiligung am internationalen Fachgremium die
weltweit anerkannte Bedeutung der MedUni Wien auf dem Gebiet der
Transplantationsmedizin unterstreicht.
Publikation: The Lancet
Scientific advances in the assessment, modification, and generation
of transplantable organs for patients with end-stage organ diseases.
Ciara M Shaver, Peter P Reese, Adam Griesemer, Andreas Zuckermann,
Matthew Bacchetta
https://doi.org/10.1016/S0140-6736(25)00239-9