Wien (PK) – Kaum von einer regulären Nationalratssitzung zu
unterscheiden war
heute die abschließende Plenarsitzung des Lehrlingsparlaments im
Hohen Haus. 80 Lehrlinge aus Vorarlberg, Oberösterreich und Wien
übten sich in den vergangenen zwei Tagen in der Rolle von
Abgeordneten: Sie gestalteten ihren Gesetzgebungsprozess und fanden
sich in Klubs zusammen, suchten Mehrheiten, trafen sich in
Ausschusssitzungen und beschlossen letztlich im Plenum ein fiktives
Gesetz und fassten eine Reihe von Entschließungen. „Spannend, wie
viele verschiedene Meinungen es zu einem kurzen Gesetzestext geben
kann“, fasste eine Teilnehmerin des Lehrlingsparlaments die Debatten
zusammen. Mehrfach wurde in den Redebeiträgen im Plenum seitens der
Lehrlinge auch darauf hingewiesen, dass es Kompromisse zu schließen
gilt, um einen gemeinsamen Weg zu finden.
Inhaltlich behandelten die Lehrlinge einen fiktiven
Gesetzesentwurf zu neuen Pflichten für Lehrlinge. Da zahlreiche
Unternehmen gute Erfahrungen mit der Einführung von Leitfäden gemacht
hätten, die den Umgang mit Lehrlingen und deren Pflichten in genauer
und verständlicher Weise regelten, sollten diese nunmehr
verpflichtend für alle Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, vorgesehen
werden, so die Erläuterungen. Beschlossen haben die Lehrlinge die
Vorlage mehrheitlich mit von ihnen vorgeschlagenen und
ausgearbeiteten Abänderungen, für die sie bereits im Ausschuss eine
Koalition und damit die Mehrheit fanden.
Unterstützt und begleitet wurden die Jugendlichen während der
beiden Tage im Hohen Haus von den Abgeordneten Maximilian Weinzierl (
FPÖ), Lukas Brandweiner (ÖVP), Roland Baumann (SPÖ), Ines Holzegger (
NEOS) und Markus Koza (Grüne). Nationalratspräsident Walter
Rosenkranz übernahm bei der abschließenden Plenarsitzung des
Lehrlingsparlaments den Vorsitz.
Vom Abänderungsantrag im Ausschuss bis zur Plenardebatte
Mit ihren Änderungen am fiktiven Gesetzestext sprachen sich die
Lehrlinge etwa für einen verpflichtenden Leitfaden aus, der auch Teil
des Lehrvertrags sein sollte. Eine Teilnehmerin meinte im Plenum
dazu, dies sei gut, um gleich zu Beginn Klarheit über die Pflichten
zu haben. Anstelle der ursprünglich vorgeschlagenen Dokumentation des
Lernerfolgs solle es regelmäßige Gespräche im Betrieb geben.
Gespräche bzw. Verwarnungen sollten auch bei Verstößen gegen die
Regelungen stattfinden. Entgegen des ursprüngliche Entwurfs solle es
aber keine Kürzungen des Gehalts geben, so die Änderungen der
Lehrlinge.
Seitens der Koalitionsparteien, die sich im Rahmen der zwei Tage
zusammengefunden hatten, hieß es etwa, man habe sich für
Erleichterungen für Lehrlinge bei der ursprünglich geplanten
Dokumentation des Lernerfolges eingesetzt. Es sei gelungen, diese zu
streichen und durch regelmäßigen Austausch zu ersetzen. Außerdem habe
man sich geeinigt, die Gehaltskürzungen zu streichen, wurde
hervorgehoben. Die Gesetzesvorlage sei ein Diamant gewesen, „der erst
zu schleifen war“, hieß es in der Debatte.
Auch eine Debatte zwischen Opposition und Koalition ließ im
Lehrlingsparlament nicht lange auf sich warten. So hieß es aus Sicht
eines Redners der Koalitionsparteien, dass sich „schlussendlich die
konstruktiven Kräfte durchgesetzt“ hätten und dadurch „echter
Mehrwert“ geschaffen worden sei. Seitens der Opposition meinte ein
Lehrling, dass etwa die Handynutzung die Auslegungssache jedes
Betriebes sei und nicht gesetzlich geregelt werden solle. Ein
weiterer sieht die Freiheit der Lehrlinge eingeschränkt und befand
einige Regelungen für unnötig. Bedauert wurde aber auch, dass es in
einzelnen Punkten keine Einigung gegeben habe. Letztlich habe aber
die Mehrheit für die Regelungen gestimmt, wurde von Koalitionsseite
betont. Einig waren sich die Redner:innen abschließend jedenfalls
darin, dass das Verständnis für Politik mit der Teilnahme am
Lehrlingsparlament gestiegen sei. Es sei „eine tolle Erfahrung mit
viel Mehrwert“, hieß es von einem der Lehrlinge.
Von den insgesamt sechs durch die Lehrlinge eingebrachten
Entschließungen wurde tatsächlich nur eine des Oppositionsklubs
einstimmig befürwortet. Das Thema ist ein aktuelles: Die
teilnehmenden Lehrlinge sprachen sich einhellig gegen eine
Besteuerung des Trinkgelds aus. Mehrheitlich angenommen wurden etwa
Entschließungsanträge der Lehrlinge für eine Verbesserung der
Bedingungen für pharmazeutisch-kaufmännische Assistenzkräfte, gegen
eine Besteuerung von Überstunden und für ausreichende Kontrolle der
Lehrausbildung. Keine Mehrheit fand ein Vorstoß für ein
Informationsblatt oder Schulungen zu Rechten und Pflichten der
Lehrlinge und dass bei Prüfungen im Rahmen der Ausbildung immer eine
dritte, neutrale Person anwesend sein solle, um Objektivität
sicherzustellen.
Kompliment von Nationalratspräsident und Abgeordneten
Nationalratspräsident Walter Rosenkranz sprach den teilnehmenden
Lehrlingen zum Abschluss des Plenums ein Kompliment für das
Selbstbewusstsein und Engagement für ihre Themen während der beiden
Tage aus. Er griff einige der Worte heraus, die während der
Plenardebatte von den Lehrlingen verwendet wurden. So sei von der
„Kunst, die Dinge beim Namen zu nennen“ ebenso gesprochen worden wie
vom „Großen und Ganzen“, vom „guten Willen“ sowie davon, dass das
„unsere Zukunft sein“ könne. Auch der „Kompromiss“, geprägt vom
Bundespräsidenten, sei oft angesprochen worden, hob der
Nationalratspräsident hervor.
Auch die Abgeordneten, die die Lehrlinge während der beiden Tage
unterstützten, sprachen ihre Anerkennung aus. Maximilian Weinzierl (
FPÖ) gratulierte, eine Koalition „geschafft“ zu haben. Bewirken könne
man aber auch etwas, wenn man nicht in der Koalition sei. Lehrlinge
seien insgesamt eine „Riesenstütze“ und wichtig für die Zukunft der
Wirtschaft. „Sehr erfrischend“ seien die Einblicke im Rahmen des
Lehrlingsparlaments für Lukas Brandweiner (ÖVP). Er appellierte an
die Lehrlinge, die Erfahrung weiterzutragen, was an Arbeit im
Parlament passiere. Österreich sei zurecht stolz auf das duale
Ausbildungssystem, hielt Roland Baumann (SPÖ) fest. Die Lehrlinge
hätten an den beiden Tagen beweisen, dass Demokratie funktioniere.
„Bringt euch bitte weiter ein“, so Baumann. Die tollen Reden der
Lehrlinge im Plenum lobte Ines Holzegger (NEOS). Demokratie sei nicht
immer einfach, wichtig seien kompromissbereite Kräfte, aber auch eine
gute und kontrollierende Opposition. „Nutzt die Chance, gestaltet
mit“, denn davon lebe die Demokratie, war der Appell von Markus Koza
(Grüne) an die Lehrlinge. Manchmal setze man sich durch, manchmal
scheitere man, die Demokratie sei jedenfalls etwas „verdammt
Wertvolles“.
Als eines der Angebote des österreichischen Parlaments zur
politischen Bildung haben Lehrlinge aus ganz Österreich einmal im
Jahr beim Lehrlingsparlament die Gelegenheit, die Rolle von
Abgeordneten zu übernehmen und den Gesetzgebungsprozess zu erleben.
Die 80 Lehrlinge kamen diesmal von der Berufsschule Altmünster, der
Landesberufsschule Dornbirn 2, der Berufsschule Kremsmünster, von der
Parlamentsdirektion, von der Wiener Wohnen Kundenservice GmbH, von
der Berufsschule Wels 3 und von der Wiener Wohnen Hausbetreuung.
Weitere Informationen zum Lehrlingsparlament sind unter
www.reininsparlament.at verfügbar. (Schluss) mbu
HINWEIS: Fotos vom Lehrlingsparlament sowie eine Nachschau auf
vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments .
Die Plenarsitzung des Lehrlingsparlaments ist als Video-on-Demand in
der Mediathek des Parlaments verfügbar.