Forschung soll raschen PV-Ausbau möglich machen

Wien (OTS) – Der Ausbau der Photovoltaik schreitet rasant voran.
Aktuell sind in
Österreich rund neun Gigawatt an Photovoltaik-Leistung installiert,
womit schon heute mehr als 10 Prozent des österreichischen
Strombedarfs gedeckt werden. Doch damit ist noch lange nicht Schluss:
Bis 2030 ist ein Ausbau der PV-Leistung auf insgesamt 21 Gigawatt
geplant, 2040 sollen es 41 Gigawatt sein – mehr als das 14-Fache im
Vergleich zum Jahr 2021. Damit das Netz dieses exponentielle Wachstum
stemmen kann, wird im Green Energy Lab an innovativen Lösungen zur
Integration von PV-Anlagen ins Energiesystem geforscht.

Die „installierte Leistung“ ist die Summe der Spitzenleistungen
aller PV-Anlagen. Die tatsächliche Stromerzeugung unterliegt starken
Schwankungen im Tagesverlauf und ist abhängig von der Jahreszeit und
der jeweiligen Wettersituation. Diese Volatilität gilt es
auszugleichen. Ebenso muss man den Flächenbedarf im Blick behalten
und Photovoltaik-Module so gut es geht in funktionale Bauwerke
integrieren. Im breit angelegten Forschungsprojekt „Engage PV“ aus
dem Innovationslabor „Green Energy Lab“ widmen sich
Wissenschaftler:innen und Energieversorger gemeinsam der Entwicklung
von Strategien und Methoden zur systemischen Integration von PV-
Anlagen, damit der Photovoltaik-Ausbau zügig voranschreiten kann.

„ Wir brauchen innovative Lösungen, um Sonnenstrom sinnvoll ins
Energiesystem zu integrieren. Das Projekt Engage PV liefert dazu
wertvolle Erkenntnisse “, sagt Andrea Edelmann, Obfrau und
Vorstandssprecherin von Green Energy Lab.

Zwtl.: Flächen doppelt nutzen: Wie Carports Energie produzieren
können

Um unsere Lebensräume nachhaltig zu gestalten, benötigen wir
innovative Konzepte zur Mehrfachnutzung von Flächen. Eine konkrete
Möglichkeit sind Photovoltaik-Anlagen auf überdachten Parkplätzen.
Eine beispielhafte Anlage wurde im Zuge des Piloten „Smart Modul
Systems for Carports“ in Niederösterreich umgesetzt.

Unmittelbar neben der Autobahnabfahrt „Amstetten West“ wurde
kürzlich einer der größten E-Ladeparks Österreichs eröffnet. Die
Anlage verfügt über 40 Schnellladeplätze der Betreiber EVN, Ionity
sowie Tesla und bietet bis zu 400 kW Ladeleistung. Außerdem gibt es
ein Bistro, Toiletten, einen Spielplatz und eine Hundeauslaufzone.
Bei den Ladesäulen der EVN wurde zusätzlich ein Carport inklusive
Photovoltaik-Anlage errichtet. Als Dach fungieren große Glasplatten,
in welche PV-Module integriert sind. Eine Milchverglasung an der
Unterseite sorgt für latente Lichtdurchlässigkeit und eine homogene
Lichtverteilung ohne harten Schattenwurf. Die eigens entwickelten PV-
Glas-Module sind fünf Meter lang, überkopftauglich und halten den
statischen Belastungen von Dachflächen stand. Während es beim Einsatz
von Standard-PV-Modulen vor allem an den Stoßkanten mit der Zeit zu
Verschmutzungen kommt, können die neu entwickelten Solar-Paneele
fugenlos verlegt werden und sind für Reinigung und Reparaturzwecke
begehbar. Produziert werden die Module von Ertex Solar in Amstetten.
Das gehärtete und zugeschnittene Glas dafür stammt von einem
regionalen Hersteller aus der unmittelbaren Umgebung. Die Montage
erfolgt mittels Mobilkran und Saugplatte. Die PV-Elemente können
nicht nur bei Carports, sondern auch auf Bahnsteigen oder in
Einkaufszentren – wie etwa dem Wiener Donauzentrum – eingesetzt und
individuell an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden.

Zwtl.: Wie intelligentes Lademanagement das Stromnetz entlastet

Viele private Haushalte verfügen inzwischen über Photovoltaik-
Anlagen. Tagsüber, wenn die Sonne scheint, produzieren diese jedoch
oft mehr Strom, als vor Ort gebraucht wird. Am Abend hingegen steigt
der Verbrauch, aber dann steht kein Sonnenstrom zur Verfügung. Dieses
Problem kann durch Batteriespeicher gelöst werden. Allerdings werden
diese Speicher oft ineffizient betrieben und entlasten das Stromnetz
nicht optimal. So werden die Batterien meist schon in der Früh mit
Energie geladen und sind an sonnigen Tagen zu Mittag voll. Allerdings
gibt es gerade dann die höchste PV-Leistung und diese wird folglich
ins Netz eingespeist. Wenn nun viele Haushalte gleichzeitig über die
Mittagszeit einspeisen, entstehen Lastspitzen im Netz. Das kann
wiederum dazu führen, dass die Einspeisung begrenzt und Anlagen
abgeriegelt werden müssen.

Um das zu vermeiden, sollten die Speicher intelligent und
vorausschauend be- und entladen werden. Dieses Vorgehen wird als
„prognosebasiertes Lademanagement“ bezeichnet und derzeit in
Unterfrauenheid im Burgenland an einem Einfamilienhaus mit PV-Anlage
getestet. Dabei kommt eine eigens entwickelte Software für das
Lademanagement zum Einsatz, die sich auf Daten der Wetterprognose von
GeoSphere Austria stützt.

Um das Stromnetz zu entlasten, wird das Laden des
Batteriespeichers bewusst verzögert. Dazu wird die Batterie am Abend
davor oder in der Früh automatisiert entladen. Dies kann durch
gezielte Stromnutzung oder durch Einspeisung ins Netz erfolgen.
Dadurch wird der Speicher entleert und kann tagsüber mehr Strom
aufnehmen. Die Batterie ist folglich erst am späten Nachmittag voll
und der Strom kann am Abend genutzt werden. Damit wird die sonst
übliche Einspeisespitze zur Tagesmitte deutlich reduziert. Die Basis
für das verzögerte Laden bilden Prognosen zum Energiebedarf, die mit
Erzeugungsprognosen auf Grundlage von Wetterdaten verknüpft werden.

Mit einem derartigen Betriebskonzept können Batteriespeicher bei
PV-Anlagen nicht nur den Eigenverbrauch optimieren, sondern auch für
eine Entlastung des Stromnetzes sorgen. Wenn man eine 100 kWp-Anlage
mit einem lokalen 200kWh-Speicher auf diese Weise betreibt, dann kann
die maximale Netzeinspeisung ohne Verluste auf 30 Kilowatt, also rund
ein Drittel der PV-Spitzenleistung, begrenzt werden. Dadurch könnte –
bei gleicher Netzanschlussleistung – dreimal so viel PV-Leistung
installiert werden. „ Wichtig wäre es, konkrete Anreize für einen
solchen netzdienlichen Betrieb des Stromspeichers zu schaffen, sei es
durch flexible Tarifmodelle oder sogar flexible Netzentgelte für PV-
Einspeiser “, sagt Projektleiter Markus Schindler .

Zwtl.: Wie automatisierte Planung Gemeinden zur Energieautarkie
verhilft

Ein weiterer zentraler Baustein des Projekts ist ein innovatives
Tool zur automatisierten Energieunabhängigkeits-Planung für
Gemeinden, das von Burgenland Energie gemeinsam mit der
Energieberatung Burgenland entwickelt wurde. Dabei werden auf Basis
von Verbrauchsdaten, Dachflächenanalysen und
Wirtschaftlichkeitsbewertungen vollautomatisierte Energie-Briefings
erstellt, die Gemeinden einen klaren Umsetzungsfahrplan in Richtung
Energieautarkie liefern. Das System analysiert bestehende Gebäude,
zeigt das PV-Potenzial auf, liefert Lösungen für Wärme und Mobilität
und schlägt konkrete Umsetzungsszenarien inklusive
Finanzierungsoptionen vor – von der Eigeninvestition bis zum
Bürgerbeteiligungsmodell. Pilotgemeinden im Südburgenland konnten
damit in wenigen Wochen konkrete Projekte initiieren und
Umsetzungsentscheidungen treffen, statt wie bisher über Monate
Planungen durchzuführen.

Rainer Matiasek, Holding-Bereichsleiter Strategie- und
Unternehmensentwicklung der Burgenland Energie , erklärt: „ Unsere
automatisierte Energieunabhängigkeits-Planung ermöglicht es mit
digitalen, innovativen KI-gestützten Tools und regionalem Know-how
Gemeinden und Haushalte auf dem Weg zur Energieautarkie aktiv zu
unterstützen. Engage PV hilft uns solche Lösungen schnell in die
Praxis zu bringen und so den Ausbau von PV, Speicher, E-Mobilitäts-
und Wärmelösungen in der Fläche massiv zu beschleunigen. “

Zwtl.: Wie Redox-Flow-Batterien zur Netzstabilität beitragen können

Um Schwankungen in der Erzeugung auszugleichen, können neben
Lithium-Batterien auch Redox-Flow-Batterien als Speicher eingesetzt
werden. Bei diesen werden in einer elektrochemischen Reaktion Ionen
ausgetauscht und Energie in Form von Flüssigkeiten auf Vanadium-Basis
gespeichert. Im Rahmen des Forschungsprojekts Engage PV wird auch der
netzdienliche Betrieb dieser Batterien im Zusammenspiel mit
Solaranlagen praktisch erprobt. Die Versuchsanlage steht am Standort
von CellCube in Wiener Neudorf, auf dessen Dach sich eine PV-Anlage
mit einer Leistung von 150 Kilowatt befindet.

Der Vorteil der Vanadium-Batterie liegt in ihrer langen
Lebensdauer von mindestens 30.000 Ladezyklen und etwa 30 Jahren.
Dabei verlieren die Batterien über die Jahre hinweg kaum an
Kapazität, da sich die elektrochemischen Stoffe in Flüssigkeiten in
getrennten Tanks befinden und nicht abnutzen. Im Gegensatz zu Lithium
-Batterien sind Vanadium-Batterien nicht brennbar und es besteht kein
Explosionsrisiko. Außerdem ist Vanadium kein seltener Rohstoff und
kann einfach recycelt werden. Im Vergleich zu Lithium-Batterien sind
die Erstinvestitionskosten höher. Die Wirtschaftlichkeit ergibt sich
aus der deutlich längeren Nutzungsdauer.

Eine der ältesten, in Betrieb befindlichen Vanadium-Redox-Flow-
Batterien der Welt stammt von CellCube und befindet sich im
Energieforschungspark der EVN in Lichtenegg in Niederösterreich. Das
Unternehmen entwickelt seit 25 Jahren Redox-Flow-Batterien und stellt
seit 2010 Serienprodukte her. Die Batterien sind vor allem für die
langfristige Speicherung von Energie ausgelegt, weshalb sie
typischerweise erst ab ungefähr vier Stunden Entladezeit eingesetzt
werden. Redox-Flow-Batterien sind daher besonders gut mit
Photovoltaikanlagen kombinierbar, da sie beim täglichen Laden und
Entladen keinen Kapazitätsverlust erleiden. Durch ihre längeren Lade-
und Entladezeiten sind sie mittags nicht bereits vollständig gefüllt,
und ihre Lebensdauer entspricht in etwa der von PV-Anlagen.

Hintergrundinformation zur Funktionsweise von Vanadium-Redox-Flow
-Batterien: youtu.be/0Uk0GQNgtqg?si=r49q85pYlsmr4hTx

Zwtl.: Über Engage PV

Das Projekt Engage PV wird vom Klima- und Energiefonds gefördert
und im Rahmen der Forschungsinitiative Green Energy Lab umgesetzt.
Ziel ist es, soziale, technische und ökonomische Innovationen zur
verbesserten Systemintegration von Photovoltaik (PV) zu entwickeln
und zu demonstrieren. Methodisch setzt Engage PV auf sozial
verträgliche und ökologische Flächennutzung (besonders durch
Mehrfachnutzung), Motivationsförderung für private PV-Investitionen,
Netz- und Systemeinbindungsstrategien, neue Erzeugungs- und
Lastprognosen, energiewirtschaftliche Verwertung der erzeugten PV-
Energie sowie deren Kombination mit anderen Erzeugungsformen,
Flexibilitäten, Sektorkopplung und Speicheroptionen – inklusive
virtueller Kraftwerke. Projektpartner sind Forschung Burgenland,
Burgenland Energie, CellCube, CyberGrid, Enerox, ertex solartechnik,
EVN, GeoSphere Austria, TU Graz, Netz Burgenland und Wind –
Ingenieurbüro für Physik.

Zwtl.: Über Green Energy Lab

Die Forschungsinitiative Green Energy Lab ist ein gemeinnütziger
Verein für angewandte Forschung und Innovation im Bereich erneuerbare
Energie- und Wärmelösungen. Gründungsmitglieder sind die
Energieversorgungsunternehmen Energie Steiermark, EVN, Wien Energie
und Burgenland Energie. Der Fokus der Vereinsaktivität liegt auf der
Entwicklung, Umsetzung und Systemintegration von Energieinnovationen
an der Schnittstelle zwischen Technologieentwicklung und dem Markt.
Seit 2018 betreibt das Green Energy Lab im Rahmen des Förderprogramms
„Vorzeigeregion Energie“ des Klima- und Energiefonds Österreichs
größtes Innovationslabor für eine nachhaltige Energiezukunft.