Dringliche Anfrage der FPÖ zur gelebten Neutralität Österreichs

Wien (PK) – „Nur gelebte Neutralität sichert Österreichs Frieden,
Freiheit und
Selbstbestimmung“ lautete der Titel einer Dringlichen Anfrage der FPÖ
heute im Bundesrat . In 23 Fragen an Bundeskanzler Christian Stocker
wollten die Freiheitlichen unter anderem wissen, welche konkreten
Maßnahmen die Bundesregierung zur Wahrung der immerwährenden
Neutralität Österreichs setzt. Thematisiert werden in der Anfrage die
aktuellen geopolitischen Gegebenheiten, unter anderem der Ukraine-
Konflikt und die EU-Außenpolitik, Sicherheitsfragen wie „Sky Shield“
und EU-Verteidigungsprojekte, aber auch die digitale Überwachung und
eine Unterfinanzierung des Bundesheeres. Weitere Fragen zielen auf
eine vollständige Unterbindung illegaler Einwanderung und die
Rückführung integrationsunwilliger oder krimineller Ausländer ab.

FPÖ: Österreich wird nicht mehr als neutral wahrgenommen

Die Neutralität sei die Grundlage für Frieden, Wohlstand und die
Rolle Österreichs als internationaler Vermittler, hielt Andreas
Arthur Spanring (FPÖ/N) fest. Letztere Rolle sei aber von der
„Einheitspartei“ zerstört worden und setze damit den Frieden aufs
Spiel. Österreich werde nicht mehr als neutral wahrgenommen.
Neutralität lebe aber von ihrer Glaubwürdigkeit. Auch an der
wehrhaften Neutralität hätten die letzten Regierungen „Raubbau“
betrieben. So sei von der ÖVP die Miliz geschwächt und das Bundesheer
„kaputtgespart“ worden. Selbige habe auch über Jahrzehnte an der
Neutralität gesägt, warf Spanring der ÖVP vor. Dafür würden heute
Gelder in die EU-Friedensfazilität fließen, die an „Doppelbödigkeit“
nicht zu überbieten sei. Ein neutrales Land trete nicht Sky Shield
bei, finanziere keine Waffenlieferung und müsse einen NATO-Beitritt
kategorisch ausschließen, so Spanring.

Frieden in der Ukraine müsse verhandelt werden, zeigte er sich
überzeugt. Von der „Einheitspartei“ komme aber „wenig bis nichts“ und
der Konflikt werde am „köcheln“ gehalten. Wehrhafte Neutralität
bedeute außerdem inneren Schutz, kritisierte er außerdem, dass auch
dieser gefährdet sei, Stichwort „importierte Kriminalität“.

Pröll: Neutralität und europäische Solidarität ergänzen sich

Staatssekretär Alexander Pröll in Vertretung des Bundeskanzlers
wies darauf hin, dass die immerwährende Neutralität längst zu einem
Bestandteil des österreichischen Selbstverständnisses geworden sei.
Neutralität bedeute aber niemals Gleichgültigkeit – „Stärke des
Rechts, nicht Recht des Stärkeren“ sei die Maxime. Die
Bundesregierung bekenne sich zur Neutralität im Einklang mit der
Verfassung, hielt Pröll fest. Sie engagiere sich multilateral in der
UNO und der OSZE. Grundlage der österreichischen Sicherheitspolitik
sei die aktive Neutralitätspolitik. Neutral zu sein, bedeute nicht,
sich zurückzuziehen, sondern Österreich nutze seine Rolle als
Vermittler auf internationaler Ebene, leiste substanzielle Beiträge
zur Friedenssicherung und engagiere sich im Rahmen der gemeinsamen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU solidarisch und
verfassungskonform. Neutralität und europäische Solidarität schließen
einander nicht aus, sie ergänzen sich, so Pröll. Österreich stehe
klar auf der Seite des Rechts, der Freiheit und der Menschenwürde.
Neutralität sei keine Passivität, sondern aktives Eintreten für
Frieden, Stabilität und internationales Recht.

In Beantwortung der Fragen wies Pröll unter anderem darauf hin,
dass die Anzahl der Asylanträge deutlich gesenkt worden sei. Zudem
gebe es null Toleranz für jene, die durch Straftaten ihr Recht auf
Aufenthalt verwirkt hätten. Was die Miliz betrifft, sei diese ein
integrierter Bestandteil des Bundesheers, und eine Kommission sei
gerade dabei, mehrere alternative Wehrdienstmodelle auszuarbeiten.
Auf der internationalen Ebene werde Wien als Verhandlungsort nicht in
Frage gestellt, so Pröll. Die Absichtserklärung Österreichs zu Sky
Shield werde von führenden Expertinnen und Experten als
verfassungskonform beurteilt, hielt er außerdem fest. Was die Hilfen
für die Ukraine betrifft, enthalte sich Österreich bei allen
Beschlüssen über letale Ausrüstungen im Rahmen der europäischen
Friedensfazilität und leiste stattdessen einen freiwilligen
Ersatzbeitrag in der Höhe seines Anteils für nicht-letale Ausrüstung.

Emotionale Debatte über Neutralität

Günter Pröller (FPÖ/O) wiederum warf der Bundesregierung vor,
nicht im Sinn der Neutralität zu handeln. Durch die Sanktionen gegen
Russland befinde man sich in einem Wirtschaftskrieg. Außerdem habe
die Bundesregierung den bewährten Weg der Neutralität verlassen und
nähere sich einem Militärbündnis mit der NATO an, so ein weiterer
Vorwurf Pröllers. Fehlen würden diplomatische Initiativen zur
Friedenssicherung, zumal gelebte Neutralität wichtiger denn je sei.
Pröller brachte dazu einen Antrag der FPÖ für eine Rückbesinnung auf
eine aktive Neutralitäts- und Friedenspolitik auf internationaler und
EU-Ebene ein, der allerdings in einer namentlichen Abstimmung in der
Minderheit blieb. Nur gelebte Neutralität sichere Österreichs
Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung, zeigen sich die
Freiheitlichen überzeugt. Die Entwicklungen seit Beginn des Ukraine-
Krieges würden aber im Widerspruch zum verfassungsmäßigen Auftrag zur
Wahrung der immerwährenden Neutralität stehen und die Glaubwürdigkeit
Österreichs als Vermittler und Verhandlungsort in internationalen
Krisen gefährden.

Harald Himmer (ÖVP/W) warf der FPÖ postwendend vor, dass ihre
Vorgängerpartei im Jahr 1955 als einzige bei der Neutralität nicht
mitgegangen sei. Was die Neutralität und die europäische Solidarität
betrifft, gebe es keinen Unterschied dazwischen. Mit Neutralität
könne außerdem „nie und nimmer“ gemeint sein, dass man sich
gesinnungsmäßig neutral verhalten müsse, wenn Völkerrecht gebrochen
werde, so Himmer. Der Überfall Russlands auf die Ukraine sei zudem
ein massiver Einschnitt in das sicherheitspolitische Umfeld Europas
gewesen. Österreich werde politisch und diplomatisch mitwirken –
„aber sicher nicht militärisch“ -, und damit einen Beitrag für mehr
Frieden in Europa und der Welt leisten.

Die Regierung bekenne sich unmissverständlich zur Neutralität im
Einklang mit der Verfassung, hielt auch Daniel Schmid (SPÖ/T) fest.
Die Neutralität sei auch ein moderner Schutzschirm für Freiheit,
Souveränität und Glaubwürdigkeit nach außen. Neutralität verstehe er
als Auftrag, aktiv für Frieden und Vermittlung aufzutreten. Es gebe
ein „Ja“ zur europäischen Kooperation, aber ohne militärischen
Automatismus, so Schmid. Auch bei Sky Shield bestimme Österreich mit
seinen neutralitätsrechtlichen Vorbehalten selbst, was seiner
Sicherheit dient. Österreich dürfe aber nicht Zaungast, sondern müsse
ein aktiver und glaubwürdiger Gestalter sein.

Die Neutralität stehe für Unabhängigkeit, Frieden und
Selbstbestimmung und sei Teil der DNA Österreichs, so Claudia
Hauschildt-Buschberger (Grüne/O). Sie sei ein lebendiges Prinzip, das
sich immer wieder neu bewähren müsse. Österreich sei neutral, aber
keinesfalls gleichgültig bei einem brutalen Bruch des Völkerrechts
wie in der Ukraine. „Komplett falsch“ sei die Unterstellung der FPÖ,
dass die Neutralität gefährdet sei. Sicherheitskooperationen würden
unterstützt, sofern sie keine militärischen Bündnisverpflichtungen
begründen würden. Es gelte, gemeinsam mit den europäischen Partnern
für eine friedliche Zukunft einzustehen, so Hauschildt-Buschberger.
Am Beispiel Schweiz zeige sich, dass eine moderne Neutralität aktiv,
solidarisch und international vernetzt sein könne.

Europa stehe durch eine neue Form der Bedrohung wie etwa
Cyberangriffe, Desinformation und Spaltungsversuche unter Druck,
meinte Julia Deutsch (NEOS/W). Dass die FPÖ ausgerechnet in dieser
Situation die Neutralität thematisiere, halte sie für „scheinheilig
und gefährlich“. Österreich habe das Recht, an allen
Verteidigungsmaßnahmen der EU teilzunehmen, müsse das aber nicht.
Gegen die Bedrohungen brauche es ein geeintes Europa und die
Möglichkeit der gemeinsamen Verteidigung. (Fortsetzung Bundesrat) mbu

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