Wien (PK) – „Landschafts-, Natur- und Umweltschutz im Spannungsfeld
von
Bodennutzung, Bodenverbrauch und Energiegewinnung“ lautete der Titel
der parlamentarischen Enquete, zu der Bundesratspräsident Peter Samt
heute ins Hohe Haus geladen hat.
Im Rahmen von vier Panels hielten Experten Vorträge zu einem
breiten Feld von Themen, die von der Forstwirtschaft, der
Ernährungssicherheit, den ökologischen und ökonomischen Folgen der
Nutzung erneuerbarer Energien, den politischen Rahmenbedingungen für
eine nachhaltige Entwicklung bis hin zu Fragen der Raumordnung und –
planung reichten. Zu Beginn der Veranstaltung hielt der ehemalige
Dritte Nationalratspräsident und jetzige Obmann des burgenländischen
FPÖ-Klubs Norbert Hofer eine Keynote, in der er auf die aktuellen
Herausforderungen beim Ausbau der erneuerbaren Energieträger einging.
Mit einer klugen Planung sei es mit Sicherheit möglich, „saubere
Energie und eine intakte Umwelt“ zusammenzudenken, war er überzeugt.
Samt: Praxisnahe Naturschutzpolitik abseits ideologisch geprägter
Aufgeregtheit
Die heutige Enquete solle abseits „ideologisch geprägter
Aufgeregtheit“ neue Perspektiven aufzeigen und die zentrale Bedeutung
einer praxisnahen Naturschutzpolitik im Sinne der heimischen
Bevölkerung herausstreichen, betonte Bundesratspräsident Peter Samt
in seinen Begrüßungsworten. Statt „weltanschaulicher Zuspitzungen“
und „Bevormundung durch Klimadogmen“ brauche es verantwortungsvolles
Handeln im Alltag sowie eine partnerschaftliche Zusammenarbeit vor
Ort. Dazu zählten eine nachhaltige Bewirtschaftung und
Schutzgebietsbetreuung sowie die gezielte Unterstützung von Gemeinden
in der Landschaftspflege. Wichtig sei es dabei immer, auf die
wirtschaftliche Verträglichkeit zu achten, machte Samt geltend, der
seine Amtszeit unter das Motto „Brauchtum leben, Traditionen
bewahren, Generationen verbinden“ gestellt hat.
Hofer plädiert für Ausbau der Speicherkapazitäten und Forcierung
der Wasserstofftechnologie
Für eine nüchterne, faktenbasierte Prüfung der
Forschungsergebnisse trat auch Norbert Hofer in seinem Vortrag ein,
denn Wissenschaft und Physik seien nicht ideologisch zu betrachten.
Die Politikerinnen und Politiker dürften dann erst am Ende des
Erkenntnisprozesses entscheiden, ob die jeweiligen Resultate
umgesetzt werden sollten oder nicht. Vor diesem Hintergrund müssten
auch die im neuen Energie- und Klimaplan bis 2030 festgesetzten Ziele
beurteilt werden, gab Hofer zu bedenken, wobei man bei der Erfüllung
der Vorgaben für erneuerbare Energieträger derzeit bei 57 % liegen
würde. Dies bedeute, dass noch 43 % durch „Brückentechnologie“
abzudecken seien. Im Hinblick auf den Bodenschutz und Naturschutz
hätte das etwa zur Folge, dass noch zusätzlich 97 km² Photovoltaik-
Flächen (ein Drittel des Neusiedler Sees) geschaffen und bis zu 1.050
Windkraftanlagen errichtet werden müssten.
Auch wenn er ein absoluter Verfechter der erneuerbaren Energien
sei, so dürfe deren Ausbau nicht als Freibrief für die
Beeinträchtigung von Orts- und Landschaftsbild, Arten-, Boden- und
Wasserschutz verstanden werden, warnte Hofer. Kritisch stand er dem
Import von Flüssigerdgas gegenüber, das nicht nur umweltschädlich
produziert werde, sondern auch über tausende Kilometer hin
transportiert werden müsse. Als Alternative schlug er die Nutzung von
heimischem Erdgas vor, das für kurze Zeit „eine Brücke schlagen
könnte“.
Viel stärker konzentrieren müsse man sich seiner Meinung nach auf
den Wasserstoff, zeigte sich Hofer überzeugt. Gleichzeitig seien die
hohen Standards in Österreich in den Bereichen Artenschutz,
Bodenschutz und Wasserqualität nicht verhandelbar. Zudem könne durch
die Schaffung von „Vorrang- und Tabuzonen“ der rasche Ausbau von
Hochspannungsleitungen sichergestellt werden, ohne dass der
Naturschutz ausgehöhlt werde, schlug Hofer vor. Auf diese Weise könne
auch verhindert werden, dass Anlagen in sensiblen Habitaten errichtet
würden. Für besonders wichtig erachtete er es auch, dass Österreich
zur „Speicherrepublik“ werde, wobei vor allem die dezentralen
Kapazitäten stark erweitert werden müssten. Weiteren Handlungsbedarf
sah Hofer beim Ausbau der Elektrifizierung, der Sanierung, der
Nutzung von Abwärme und der Digitalisierung.
Meran kritisiert Errichtung von Windkraftanlagen im alpinen Raum
Dem Thema „Forstwirtschaft im Spannungsfeld von Ökonomie und
Naturschutz“ widmete sich der Präsident des steirischen
Jagdschutzvereins Franz Meran in seiner Rede. Er sei der festen
Meinung, dass die Besitzerinnen und Besitzer der Wälder, die zu 80 %
in privater Hand seien, seit Generationen bewiesen hätten, dass sie
die Natur schützen könnten. Nun sei man aber mit sogenannten
Biodiversitätsstrategien konfrontiert, die darauf abzielten, 10 % bis
15 % der Flächen „aus der Nutzung zu nehmen“. Gerade angesichts der
ohnehin schon sehr angespannten ökonomischen Situation der
Forstbetriebe, halte er dies für kontraproduktiv. Damit erreiche man
nämlich genau das Gegenteil des heute Angestrebten, so Meran, der
dabei den Erhalt von Biomasse und Artenschutz ins Treffen führte.
Meran plädierte generell für eine sachliche Debatte. Er spüre
natürlich, dass es wärmer werde, dennoch solle man nicht in eine
„Klimahysterie“ verfallen. Auch Schlagworte wie „klimafitter Wald“
seien wenig nützlich, da die Forstwirtschaft schon seit jeher in
Zeiträumen von 100 Jahren denke, beklagte er. Nachdem die
Forstwirtschaft aber unter einem großen ökonomischen Druck stehe,
bestünde die Gefahr, dass in Hinkunft viele kleinstrukturierte
Betriebe ihre Gründe verkaufen müssten. Kritische Worte fand Meran
auch bezüglich der Errichtung von Windkraftanlagen im alpinen Raum,
was aus seiner Sicht eine ökologische Katastrophe sei.
Schlemper: Landwirtschaft ist der Schlüssel für
Ernährungssicherheit und Biodiversität
Wolf-Dietrich Schlemper (Referent in der Salzburger
Landesregierung für Jagd und Fischerei, Natur- und Umweltschutz,
Gewerbe und Feuerwehrwesen) ging zunächst auf den Wandel des Begriffs
Naturschutz ein, der mittlerweile um Fragen des Arten- und des
Lebensraumschutzes erweitert wurde. Demgegenüber stehe die
Landwirtschaft, die – je nachdem, wie sie ausgeführt werde – einen
negativen Effekt auf das Landschaftsbild und die Biodiversität haben
könne. Positiv wirke sich wiederum aus, wenn Flächen nicht
bewirtschaftet würden.
Der Mensch brauche bestimmte Ökosysteme, um sich auf wandelnde
Umweltbedingungen einstellen zu können, gab Schlemper zu bedenken.
Gleichzeitig sei es im Sinne der Resilienz erforderlich, über eine
vielfältige Lebensmittelproduktion zu verfügen. Gerade der Erhalt der
vielen landwirtschaftlichen Betriebe sei der Schlüssel für mehr
Biodiversität und für mehr Ernährungssicherheit, betonte er.
Schlemper sprach in diesem Zusammenhang die sogenannte
Wiederherstellungs-Verordnung der EU an, deren Inhalt seiner Ansicht
nach im Widerspruch zur Schaffung von effizienteren Agrarsystemen in
Österreich stehe. Damit werde nämlich der Naturschutz der eigenen
Lebensmittelproduktion vorgezogen, beklagte Schlemper, der eine
Beschleunigung des „Höfe-Sterbens“ befürchtete.
Bei der anschließenden Diskussion warnte Nationalratsabgeordneter
Michael Fürtbauer (FPÖ) vor dem „Bürokratiemonster“ in Form der
Entwaldungs-Verordnung, die zudem stark in die Eigentumsrechte
eingreife. Sein Fraktionskollege Albert Royer wies darauf hin, dass
täglich neun Landwirtinnen und Landwirte ihre Betriebe aufgeben
müssten. Es brauche daher weder MERCOSUR noch zusätzliche
bürokratische Auflagen. Der niederösterreichische Landtagsabgeordnete
Peter Gerstner (FPÖ) stand wiederum den Renaturierungsvorgaben der EU
kritisch gegenüber.
Bundesrat Stefan Auer-Stüger (SPÖ/W) konnte den Ausführungen von
Norbert Hofer einiges abgewinnen. Es müsse aber allen klar sein, dass
es beim Thema Klimaschutz nicht nur um technische Möglichkeiten gehen
könne, sondern ebenso um Wirtschaft, Mobilität und Biodiversität. Für
ihn stehe jedenfalls außer Frage, dass der Klimawandel von den
Menschen verursacht worden sei und man daher auch etwas dagegen tun
könne. Die Ausarbeitung von Strategien sowie das Festlegen von Zielen
würde daher durchaus Sinn machen, konstatierte Auer-Stüger, der als
Beispiel die Renaturierungs-Verordnung anführte.
Es seien die Landwirtinnen und Landwirte gewesen, die die
Biodiversität überhaupt ermöglicht hätten, urteilte Bundesrat
Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O). Er war der Meinung, dass Krisen als
Chancen genutzt werden sollten, denn nur dann könnten die
kleinstrukturierten Betriebe erhalten und Arbeitsplätze abgesichert
werden. (Fortsetzung Enquete) sue
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf
vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments .
HINWEIS: Die parlamentarische Enquete wurde live in der Mediathek
des Parlaments übertragen und ist dort als Video-on-Demand abrufbar.
Die Parlamentsdirektion hat zum Thema der Enquete ein Fachdossier
erstellt.