Wien (PK) – In einer Aussprache mit Helga Berger, der
österreichischen
Vertreterin beim Europäischen Rechnungshof (EuRH), thematisierten die
Abgeordneten des Rechnungshofausschusses heute den Jahresbericht des
EuRH zum EU-Haushaltsjahr 2024. In ihren Ausführungen konzentrierte
sich die Vertreterin beim EuRH auf die zentralen Aussagen des
Berichts und seine Prüfbefunde. Berger ging außerdem auf die
Perspektiven für den nächsten EU-Haushalt im Lichte der Erkenntnisse
des europäischen Prüforgans ein. Angesichts des aktuell hohen
Schuldenstands der EU sehe das europäische Prüforgan sich aufgerufen,
eine nachhaltige EU-Budget- und Finanzpolitik einzufordern,
berichtete Berger.
Berger: Fehlerquote entwickelt sich in die richtige Richtung
Der EuRH habe, wie auch schon in den Jahren davor, ein
uneingeschränktes Prüfungsurteil zur Zuverlässigkeit der
Rechnungsführung der EU für 2024 abgeben können. Die Einnahmen seien
2024 recht- und ordnungsgemäß erfolgt, erläuterte Berger.
Für die geprüfte Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) habe der
EuRH einmal mehr nur ein eingeschränktes Prüfungsurteil abgegeben,
weil bei Zahlungen nicht alle Bedingungen erfüllt gewesen und bei
Prüfungen Schwachstellen in den Kontrollsystemen der Mitgliedstaaten
festgestellt worden seien.
Eine der Kernaussagen des EuRH-Berichts 2024 ist laut Berger,
dass die Fehlerquote der EU-Ausgaben als wichtige Kennziffer für die
Feststellung der ordnungsgemäßen Verwendung der Mittel 2024
zurückgegangen ist und die Entwicklung in die richtige Richtung geht
Bei den Ausgaben sei die Fehlerquote im Vorjahr auf 3,6 % gesunken (
2023: 5,6 %; 2022: 4,2 %). Damit sei der negative Trend der Jahre
davor gestoppt worden sagte Helga Berger. Allerdings sei die
Fehlerquote nach wie vor zu hoch, da sie über dem angestrebten
Schwellenwert von 2 % liege.
Identifizierte Fehler seien jedoch nicht zwangsläufig mit Betrug
gleichzusetzen und mit verschwendeten Mitteln, da die betroffenen
Projekte dennoch positive Wirkung entfalten könnten, merkte Berger
an. Doch würden sich bei den stichprobenartigen Prüfungen auch
Hinweise auf betrugsrelevante Sachverhalte finden. Diese Fälle leite
der EuRH auch an das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF)
bzw. an die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) weiter.
In Österreich seien Stichproben in den Bereichen „Binnenmarkt,
Innovation und Digitales“ (Wettbewerb), „Zusammenhalt, Resilienz und
Werte“ (Kohäsion) und „natürliche Ressourcen und Umwelt“ (
Landwirtschaft) durchgeführt worden. In allen geprüften Bereichen
habe der EuRH Fehler festgestellt. Die Fehlerquote sei zwar im
unteren Prozentbereich, doch zeige sich Verbesserungsbedarf, etwa bei
der Berechnung der förderfähigen Kosten durch die Begünstigten und
der Überwachung der Einhaltung der Regeln durch nationale Behörden.
Geringer Ausschöpfungsgrad der EU-Mittel
Sorgen bereite dem EuRH außerdem die nach wie vor sehr geringe
Ausschöpfungsquote bei EU-Mitteln. Dies bedeute, dass es zu lange
dauere, bis die Mittel dorthin gelangen würden, wo sie verplant
worden seien. Bei der Ausschöpfung der Mittel aus dem europäischen
Struktur- und Investitionsfonds für die Periode 2014-2020 lag
Österreich mit 96 % knapp unter dem EU-Durchschnitt (97 %). Die
Ausschöpfung für die laufende Periode 2021-2027 für die von den
Mitgliedsstaaten zu verwaltenden Mittel sei weiterhin niedrig.
Österreich liegt mit 9,1 % etwas über dem EU-Durchschnitt (7,0 %).
EU-Budget: Schuldenstand muss im Auge behalten werden
Weiters wies Berger auf den bisher höchsten Schuldenstand der EU
hin. Dieser sei im Gefolge der COVID-19-Politik sehr rasch
angewachsen. Grundsätzlich sei die Reaktion auf die Krise richtig
gewesen. Sie bedeute aber auch, dass der Handlungsspielraum für
künftige Budgets kleiner werde.
Zur Schuldenaufnahme der Europäischen Union führte Berger aus,
das Thema Haushaltsführung und Finanzmanagement sei als eines der
Schwerpunktthemen des aktuellen EuRH-Berichts ausgewählt worden. Der
EuRH sehe seine Aufgabe nicht zuletzt darin, eine nachhaltige
Finanzpolitik einzufordern, denn am Ende werde das Geld aus Beiträgen
der EU-Mitgliedstaaten zurückzuzahlen sein.
Die Zinszahlungen im mehrjährigen Finanzrahmen (MFF) 2021-2027
seien aufgrund der Entwicklung der Kapitalmärkte bis zu doppelt so
hoch als ursprünglich von der Kommission veranschlagt. Statt der
ursprünglich angenommenen 14,9 Mrd. Ꞓ liege die derzeitige Schätzung
bei bis zu 30 Mrd. Ꞓ. Für die Zinszahlungen im Rahmen der MFF 2028-
2034 würden die Schätzungen vom bis zu 74 Mrd. Ꞓ ausgehen.
Was die Zukunft der Kohäsionspolitik im kommenden MFF angehe, so
habe die Europäische Kommission für die neue Periode 2028-2034 als
neuen Zugang vorgeschlagen, Gelder „performance-basiert“ auszuzahlen.
Konkret zeige sich, dass der jeweilige Projektfortschritt im
Mittelpunkt stehe. Das Europäische Parlament (EP) und der EuRH würden
den Zugang der Kommission sehr kritisch sehen. Der Ansatz eigne sich
beispielsweise nicht als Kriseninstrument. Der Vorschlag würde
bedeuten, dass 27 unterschiedliche nationale Pläne finanzieren
würden. Das EP stelle sich gegen eine Re-Nationalisierung, da
zentralisierte nationale Entscheidungen den EU-Mehrwert untergraben
würden.
Abgeordnete fragen nach Wirksamkeit der EuRH-Prüfungen
FPÖ-Abgeordneter Michael Fürtbauer befand, dass die von Berger
angesprochene Schuldenentwicklung ihm „Angst und Bange“ mache. Die
Frage sei, wie Österreich sich dagegen absichern könne, dass bei
Ausfällen von Mitgliedsstaaten die österreichischen Haftungen
schlagend werden.
Berger betonte, der EuRH sei dazu beauftragt, genau solche
Entwicklungen im Auge zu behalten und auf mögliche Probleme zu
achten. Die EU habe sich in der Krise 2020 ganz bewusst dafür
entschieden, von der bisherigen Linie abzugehen und die Aufnahmen von
Schulden entschieden, um rasch handeln zu können. Die Einrichtung von
Next Generation EU als Antwort auf die Pandemie sei aus Sicht des
EuRH zwar grundsätzlich richtig gewesen. Ob die Finanzierung über
Neuverschuldung der richtige Weg war, könne auch hinterfragt werden.
Sie könne insofern beruhigen, als festzustellen sei, dass er mit
seinen Empfehlungen auch ernst genommen werde. Das gelte auch für den
kommenden EU-Haushalt. Auch sei der Höhepunkt der Zinsentwicklung
offenbar derzeit überschritten. Die Einschätzung der Entwicklung der
Rückzahlungen werde daher als verlässlich angesehen.
SPÖ-Abgeordneter Christoph Seemayer und ÖVP-Abgeordneter Franz
Hörl interessierten sich für die Gründe für die Entwicklung der
Fehlerquote und die weiteren Perspektiven.
Berger sagte, dass der Anstieg im Gefolge der während der COVID-
19-Pandemie gesetzten Maßnahmen durchaus erwartbar war. Die
Fehlerquote steige auch am Ende einer mehrjährigen EU-Finanzperiode,
wenn ein erhöhter Absorptionsdruck der Mittel bestehe und
erfahrungsgemäß zu mehr Fehlern führe. Dies sei zuletzt unter anderem
mit der COVID-Pandemie zusammengefallen und habe zu den hohen
Fehlerquoten in den letzten Jahren geführt.
Zur Frage von ÖVP-Abgeordnetem Hörl nach den Gründen für die
geringe Abholquote von Mitteln führte Berger aus, dass vor allem
komplexe Vorschriften zu Problemen führen würden. Sie gab dabei auch
zu bedenken, dass die konkreten Förderinstrumente aber von den
Mitgliedsstaaten verantwortet würden. Das bedeute, dass auch dann,
wenn die Mitgliedsstaaten die Gelder leichter abholen können, in den
Staaten selbst sich oft nichts ändere.
NEOS-Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff wollte wissen, ob
daran gedacht sei, das Prüfkonzept zu ändern, und neben der Erhebung
der Fehlerquote eventuell neue und aussagekräftigere Kennzahlen
einzuführen.
Berger erinnerte daran, dass die Fehlerquote ursprünglich von
einzelnen Mitgliedsstaaten eingefordert worden sei. Sie sehe keine
Hinweise darauf, dass das Europäische Parlament davon abgehen wolle.
Intern diskutiere man aber sehr wohl darüber, was es bedeuten würde,
wenn eine neue Förderlogik eingeführt werde, die auf Meilensteine und
Zielerreichung abstelle. Der EuRH werde sich dann auch auf eine neue
Prüfungslogik einstellen müssen und bereite sich auch auf einen
solchen Fall vor. Der Mehrwert von Prüfungen und der
Ressourceneinsatz werde selbstverständlich hinterfragt. Die
Europäische Kommission werde als letztlich haushaltsleitendes Organ
aber schwerlich auf die Kriterien der Einhaltung der Bedingungen und
der Rechtmäßigkeit bei der Vergabe von Mitteln verzichten können,
meinte Berger.
Kraker: Kontrolllücke bei Europäischer Investitionsbank schließen
Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker informierte die
Abgeordneten über eine gemeinsame Erklärung der europäischen
Rechnungshöfe zur Schließung einer Prüflücke bei der Europäischen
Investitionsbank (EIB). Diese sei das größte multilaterale
Finanzierungsinstitut der Welt. Der EuRH könne derzeit aber nur einen
kleinen Teil der Projekte der EIB prüfen. Angesichts der Tatsache,
dass ihr Haftungskapital aus den Haushalten der EU-Mitgliedstaaten
stamme, werde ein Prüfmandat für die europäischen Rechnungshöfe
gefordert. (Schluss Rechnungshofausschuss) sox