BELVEDERE: Franz Xaver Messerschmidt. Mehr als Charakterköpfe

Wien (OTS) – Franz Xaver Messerschmidt (1736–1783) wird als Künstler
einer
kulturellen und politischen Zeitenwende präsentiert. Seine Porträts
von Mitgliedern des Hofes und des Adels, von Wissenschaftlern und
Schriftstellern geben Einblick in die gesellschaftlichen Strukturen
seiner Epoche. Die ab 1770 entstandenen „Charakterköpfe“ werden als
Phänomene ihrer Zeit beleuchtet. Messerschmidts Werke werden in
Beziehung zu Arbeiten anderer Künstler gesetzt, mit denen er
wiederholt in Verbindung gebracht wurde – mögliche Parallelen und
Einflüsse werden dabei kritisch hinterfragt.

Generaldirektorin Stella Rollig: Kein anderer Künstler der
Sammlung des Belvedere fasziniert Publikum und Künstler*innen
gleichermaßen wie Messerschmidt. War er Genie, war er Außenseiter?
Vieles hat ihm die Geschichtsschreibung zugeschrieben, manches
angedichtet. Mit der Ausstellung unternehmen wir eine Einordnung auf
der Höhe unserer Gegenwart – und zeigen Messerschmidt in lange nicht
gesehener Fülle.

Franz Xaver Messerschmidt zählt zu den prägenden Künstler*innen
der Sammlung des Belvedere. Das Museum verfügt über den weltweit
größten Bestand an Werken des Bildhauers und präsentiert diese
bereits seit mehr als einem Jahrhundert als Teil der
Dauerausstellung.

Die Porträts des Bildhauers zeigen ab etwa 1769 ein neues
Menschenbild, das von den Ideen der Aufklärung durchdrungen ist: Das
Bestreben, den Menschen als Individuum darzustellen, tritt zunehmend
an die Stelle barocker Repräsentation. Anhand der porträtierten
Persönlichkeiten sowie weiterer Auftraggeber*innen, etwa Maria
Theresia, Felicitas von Savoyen-Carignan, die Ärzte Gerard van
Swieten und Franz Anton Mesmer oder der Kunstschriftsteller Franz
Christoph von Scheyb, wird außerdem das kulturelle, politische und
wissenschaftliche Klima des 18. Jahrhunderts erläutert.

Messerschmidts sogenannte „Charakterköpfe“ gelten trotz ihrer
Bekanntheit bis heute als rätselhaft. Die seit dem 20. Jahrhundert
äußerst populäre psychopathologische Deutung schränkt den Blickwinkel
auf diese Objekte jedoch stark ein. Sie lässt vergessen, dass der
Bildhauer in seinem Schaffen auf die gesellschaftlichen und
wissenschaftlichen Umbrüche des 18. Jahrhunderts reagiert hat. Ziel
der Ausstellung ist, die Werkserie vor dem Hintergrund der damaligen
Beschäftigung mit Mimik einzuordnen und als Phänomen ihrer Zeit zu
lesen. Vergleiche mit Werken von Künstlern wie Joseph Ducreux,
William Hogarth und Jakob Matthias Schmutzer untermauern dabei, dass
das Interesse für das Gesicht (und seine Entgleisungen) keine
Ausnahme darstellt.

Auch wenn Messerschmidts Intention unklar bleibt, lassen sich an
seinen „Charakterköpfen“ zentrale geistesgeschichtliche Entwicklungen
des 18. Jahrhunderts ablesen – sie fordern bis heute eine
unmittelbare Reaktion ihres Gegenübers heraus. Ihre Frontalität und
ihre Ausdruckskraft stehen exemplarisch für den Bruch mit dem
akademischen Klassizismus , so Kuratorin Katharina Lovecky.

Kurator Georg Lechner ergänzt: Die Rezeption von Messerschmidts
„Charakterköpfen“ spiegelt eine wechselvolle Ausstellungsgeschichte
wider – vom unterhaltsamen Kuriosum zum kunsthistorisch bedeutsamen
Werk. Mit der Eröffnung des Barockmuseums im Unteren Belvedere wurde
Messerschmidts Schaffen museal verankert und dauerhaft in den
kunsthistorischen Diskurs überführt.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag der Buchhandlung
Walther und Franz König.

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