Wien (OTS) – Im Zuge der Marktverwerfungen im Jahr 2022 starteten die
Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und die E-Control im Jänner 2023 eine
gemeinsame Taskforce zur Untersuchung des österreichischen Strom- und
Gasmarkts. Die Analysen, die in zwei Zwischenberichten vorgelegt
wurden, zeigten unter anderem eine gestiegene Marktkonzentration und
stark rückläufige Anbieter- und Wechselzahlen. Auf Basis
umfangreicher Auskunftsverlangen an die zentralen Energieversorger
wurden erhebliche Preisunterschiede zwischen Neu- und
Bestandskundinnen und -kunden sowie intransparente Preisgestaltungen
und problematische Preisanpassungspraktiken festgestellt. Es zeigte
sich in den letzten Jahren deutlich, dass trotz vorhandener
ökonomischer Anreize durch hohe Preisniveaus eine Mehrheit der
Konsumentinnen und Konsumenten ihren Lieferanten nicht wechseln.
Im Abschlussbericht der Taskforce werden diese Erkenntnisse mit
aktuellen Zahlen belegt. Die Preissituation und die verfügbaren
Angebote am Markt haben sich im Vergleich zum Höhepunkt der Krise
zwar stabilisiert, bzw. wieder verbessert, sind jedoch noch nicht am
Vorkrisenniveau angelangt. Die Behörden betonen die Notwendigkeit
besser vergleichbarer und transparenter Verträge sowie wirksamer
wettbewerbsrechtlicher Instrumente, etwa durch eine Ausweitung der
Befugnisse bei Branchenuntersuchungen und einer Verlängerung der
neuen gesetzlichen Regelungen gegen missbräuchliches Verhalten von
Marktbeherrschern. Außerdem sollte jedenfalls die Datenlage
verbessert werden, um gezieltere staatliche Unterstützungsmaßnahmen
zu ermöglichen. Als Basis für die wettbewerbsrechtliche Aufsicht
wurde ein Fokus auf die Marktdefinition gelegt. Ein
Wohlverhaltenskatalog für marktbeherrschende Strom- und
Gaslieferanten soll in Zukunft seitens der Behörden eine
wettbewerbsrechtliche Leitlinie für marktmächtige Unternehmen bieten.
„Die Marktkonzentration ist weiterhin sehr hoch. Lokale
Fragmentierung, unzählige Kreuzbeteiligungen zwischen den Unternehmen
und im EU-Vergleich niedrige Wechselraten prägen eine eingeschränkte
Wettbewerbssituation. Der Fokus der BWB liegt jetzt auf einzelnen
Ermittlungen.“ , erläutert die Generaldirektorin der
Bundeswettbewerbsbehörde, Natalie Harsdorf, zur Arbeit der Taskforce.
„Der Wettbewerb am Markt erholt sich langsam. Wir beobachten,
dass neue Anbieter eintreten und unterschiedliche Produkte verfügbar
sind. Zentral ist hierbei, dass Konsumentinnen und Konsumenten die
Möglichkeit bekommen, diese Angebote auch transparent vergleichen zu
können. Die Empfehlungen der Taskforce werden dazu beitragen, diese
Situation im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher zu
verbessern.“, betont der Vorstand der E-Control, Wolfgang
Urbantschitsch.
Zwtl.: Die Inhalte des Abschlussberichts
Der Abschlussbericht komplettiert die beiden vorangegangenen
Zwischenberichte. Der Bericht fasst Erkenntnisse und Empfehlungen
zusammen und konkretisiert die Marktabgrenzung aus Sicht der
Wettbewerbsbehörden.
Der bisherigen Struktur folgend wurden Daten zur
Wettbewerbssituation aktualisiert:
–
Die Preisentwicklung,
–
das Wechselverhalten und
–
weitere Kennzahlen zur Angebots- und Nachfragesituation für Strom
und Gas.
Zwtl.: Ergebnisse zur Marktabgrenzung
Klare Marktabgrenzungen sind für wettbewerbliche Analysen und
Verfahren unabdingbar. Die Untersuchung der BWB und der E-Control
kommt zum Ergebnis, dass einerseits auf sachlicher Ebene zwischen
Kundengruppen unterschieden werden muss. Zunächst gibt es
Unterschiede in der Belieferung von Großkundinnen und -kunden und in
der Belieferung von Kleinkundinnen und -kunden. Zusätzlich indiziert
das Nachfrageverhalten eine Differenzierung zwischen inaktiven
Kundinnen und Kunden und aktiven Kundinnen und Kunden.
Auf der räumlichen Ebene wird deutlich, dass innerhalb
Österreichs noch immer gravierende Unterschiede zwischen den
Netzgebieten bestehen. Der überwiegende Anteil der Kleinkundinnen und
-kunden bezieht Strom bzw. Gas von lokalen Unternehmen, die nicht
national tätig sind. Die vorangegangenen Berichte zeigen die daraus
resultierende Marktkonzentration deutlich auf. Hier ist also von
einer lokalen Marktabgrenzung auf Ebene der Netzgebiete auszugehen.
„Es zeigt sich, dass die Unternehmen, die den Großteil der
Endkundinnen und Endkunden beliefern, primär in ihren Heimatgebieten
operieren und es keinen maßgeblichen bundesweiten Wettbewerb gibt. “,
so Harsdorf.
Zwtl.: Die Endkundenpreise verzögert rückläufig, die Preisstreuung
weiterhin hoch
Für den Abschlussbericht wurden erneut Preisdaten für Strom und
Gas von den Unternehmen, die rund 75% des Marktes in Österreich
ausmachen, erhoben und ausgewertet. Mit den vorliegenden Daten lässt
sich nun die Preisentwicklung über die Krise hinweg (konkret von
Jänner 2021 bis Jänner 2025) darstellen.
„ Seit Mitte 2023 geht der gewichtete Preisdurchschnitt wieder
langsam zurück. Dies folgt der Entwicklung auf den Großhandelsmärkten
zeitverzögert nach. Der Strompreis für einen Großteil der
österreichischen Haushalte lag im Jänner 2025 schließlich zwischen 11
und 21 Cent/kWh und damit weiterhin erheblich über dem
Vorkrisenniveau. Bei Gas lag der gewichtete Durchschnitt bei etwas
unter 6 Cent/kWh. Die im zweiten Zwischenbericht identifizierte
Preisstreuung ist nach wie vor deutlich bemerkbar. “, erläutert der
Vorstand der E-Control, Wolfgang Urbantschitsch die
Preisentwicklungen.
Die durchschnittliche Preisentwicklung für Kleinunternehmen deckt
sich sowohl im Verlauf als auch in der Höhe mit der der Haushalte.
Bereits im zweiten Zwischenbericht wurde allerdings festgestellt,
dass die Streuung der Preise für Unternehmen im Vergleich zu den
Haushaltskundinnen und -kunden noch einmal deutlich ausgeprägter war.
Dies ist nach wie vor der Fall.
Massiv erhöhte Preise (> 61 Cent/kWh bei Strom, > 26 Cent/kWh bei
Gas), die von der Taskforce bereits im Zweiten Zwischenbericht
angesprochen wurden, konnten bis ins zweite Halbjahr 2024 hinein
festgestellt werden.
Zwtl.: Wechselrate etwas höher – Die Kostensteigerung im Jänner 2025
treibt punktuell Lieferantenwechsel
Angesichts von Rekordeinsparpotenzialen erholten sich die
Wechselraten der Endkundinnen und Endkunden im Jahr 2024 weiter und
lagen etwa auf dem Vorkrisenniveau. Bereits im Jahr 2023 konnten
relativ hohe Wechselraten verzeichnet werden, die jedoch stark von
der Wechselwelle in einem bestimmten Netzgebiet getrieben waren.
„Die Wechselraten in Österreich sind im europäischen Vergleich
allerdings weiterhin niedrig. So lagen beispielsweise im Jahr 2023
die Wechselraten in Italien oder Belgien bei rund 18% bzw 17%. Wir
sehen hier in Österreich noch sehr viel Luft nach oben .“, betont
Urbantschitsch.
Und er betont in diesem Zusammenhang einmal mehr, wie wichtig
Transparenz und verständliche Preisinformationen für die
Konsumentinnen und Konsumenten sind. „Nur wer weiß, was er oder sie
für Strom oder Gas bezahlt, kann auch aktiv werden und sich um
Alternativangebote kümmern. Wir sehen hier nach wie vor großen
Aufholbedarf. So zeigen Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage [1]
, dass 70% der heimischen Bevölkerung nicht weiß, was sie für die
Kilowattstunde Strom bezahlen, bei Gas sind es sogar 84%.“ , so
Urbantschitsch. Grund dafür sind die langen Abrechnungsintervalle,
die jedoch jedenfalls im Strom aufgrund der nunmehr flächendeckend
eingebauten Smart Meter nicht mehr geboten sind. Abhilfe bringen
standardmäßige Monatsabrechnungen. Angesichts der mangelnden
Transparenz bei Jahresabrechnungen muss zwischenzeitig davon
ausgegangen werden, dass diese eine erhebliche Benachteiligung der
Konsumentinnen und Konsumenten darstellen und deren Fortbestand nur
mehr im Interesse der Energielieferanten ist.
„An den Ergebnissen kann man eindeutig erkennen, welche
Konsequenzen es hat, wenn der Wettbewerb in einem Markt nicht richtig
funktioniert. Es schwächt die Position der Verbraucherinnen und
Verbraucher. Nur die Unternehmen können dafür sorgen, dass die
Verträge und Abrechnungen transparenter und verständlicher
aufbereitet werden.“, erklärt Natalie Harsdorf.
Zwtl.: Zahl der Anbieter und Angebote gestiegen
Im Jahr 2024 kam es im Endkundenmarkt Strom noch einmal zu einem
leichten Anstieg der aktiven Lieferanten. Im Endkundenmarkt Gas blieb
die Anzahl der Anbieter im Vergleich zum Vorjahr dagegen nahezu
konstant. Insgesamt stehen den Kundinnen und Kunden in beiden Märkten
weiterhin weniger Anbieter zur Verfügung als vor der Krise.
Die Anzahl der Neukundenprodukte auf dem Endkundenmarkt Strom
erholte sich seit der Krise sichtbar und liegt mittlerweile (Stand
Februar 2025) nahezu wieder auf dem Vorkrisenniveau. Bei Gas hingegen
stagniert die Anzahl der Neukundenangebote bei etwa der Hälfte der
Angebote wie noch vor der Krise.
Zwtl.: Empfehlungen der Taskforce von BWB und E-Control
Aufgrund der umfangreichen Analysen der Taskforce lassen sich die
folgenden Schlüsse ziehen und Empfehlungen zur Stärkung des
Wettbewerbs und der Förderung der Transparenz im Sinne der Fairness –
auch in Krisenzeiten – ableiten.
1.
Ein Best-Practice-Modell der Produktgestaltung für
Energielieferung soll es Verbraucherinnen und Verbrauchern
ermöglichen, die Preisgestaltung einfacher nachzuvollziehen und
Produkte transparent nach ihren Bedürfnissen auszuwählen. „Damit kann
jeder einfach erkennen, wie hoch der Grundpreis ist und was für die
Kilowattstunde bezahlt werden muss – und man darauf vertrauen kann,
dass der Gewinnaufschlag unabhängig vom Preis immer gleich hoch
ist.“, betont Urbantschitsch. Vorteile daraus sind, die Produkte sind
einfacher vergleichbar und die Kostenentwicklung besser abschätzbar.
2.
Eine monatliche Abrechnung als Standard bei Strom bietet für
Endkundinnen und Endkunden regelmäßige Information über ihre
tatsächlichen Kosten. Der Smart Meter-Rollout in Österreich ist
abgeschlossen, daher sollten die verfügbaren Daten auch kunden- und
wettbewerbsfreundlich genutzt werden. Eine monatliche Abrechnung und
damit eine höhere Sichtbarkeit der Strom- und Gaspreise kann, ähnlich
wie eine einheitliche Produktgestaltung, Triebfeder für höhere
Wechselzahlen und eine Stärkung des Wettbewerbs sein. „Was überall
sonst selbstverständlich ist, nämlich eine zeitnahe Abrechnung,
sollte doch endlich auch im Strombereich Realität werden.“ , so
Urbantschitsch.
3.
Spotmarktprodukte sollen vermehrt angeboten werden, da sie einen
Beitrag zur Flexibilisierung der Nachfrage und zur aktiven
Beteiligung der Endverbraucherinnen und Endverbraucher am
Energiesystem leisten können. Dies kann insbesondere langfristig
sowohl für Kundinnen und Kunden als auch für das Gesamtsystem zu
Kosteneinsparungen führen.
4.
Mit der Einführung staatlicher Fördermaßnahmen wie des
Stromkostenzuschusses können auch neue Möglichkeiten der
Preismanipulation und des Missbrauchs entstehen. Damit solche
Verhaltensweisen in Zukunft schneller und konsequenter verfolgt
werden können, regen die Behörden an, klare Sanktionskompetenzen zu
definieren.
5.
Eine Datenbasis für Unterstützungen muss geschaffen werden. Damit
können die monetären Unterstützungsmaßnahmen für Endkundinnen und
Endkunden zielsicher erfolgen. Eingriffe in den Wettbewerb lassen
sich dadurch künftig auf das Notwendige beschränken. Dabei gilt es
auch zu klären, welche gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen den
Unternehmen der Energiewirtschaft übertragen werden.
6.
Österreichs Energiegesetze krisenfit machen : Die Krise hat
gezeigt, dass für besonders schwierige Zeiten auch im Energiesektor
gesetzliche Vorkehrungen nötig sind. Im Sinne der Transparenz sollte
in der – nach objektiven Kriterien ausgerufenen – Krise Margen
offengelegt bzw. Reaktionsmöglichkeiten bei gravierenden Störungen
des Wettbewerbs geschaffen werden. Damit können starke
Preissteigerungen innerhalb kurzer Zeit verhindert und das Vertrauen
in die Energiewirtschaft gestärkt werden.
7.
Auflösung der Kreuzbeteiligungen im Energiesektor: Denkbar wäre
eine Obergrenze für Minderheitsbeteiligungen zwischen
Energieversorgern in Österreich (z.B. maximal 5 %, sofern keine
vollständige Entflechtung erfolgt). Zusätzlich wäre ein Verbot von
Kreuzbeteiligungen, gewisse Transparenzpflichten oder eine
wettbewerbsrechtliche Sonderprüfungspflicht für sämtliche Neu- oder
Umstrukturierungen von Beteiligungen im Energiesektor denkbar. Durch
diese Maßnahmen soll die Marktmacht einzelner Unternehmen
eingeschränkt und der Wettbewerb stimuliert werden. „ Um den
Wettbewerb am Energiemarkt zu beleben, ist eine Entflechtung oder
Begrenzung von Kreuzbeteiligungen im Energiebereich essenziell.
Dadurch kann auch die Marktmacht einzelner Unternehmen verringert
werden.“ , so Natalie Harsdorf.
8.
Für Unternehmen mit Marktmacht soll eine Blacklist verpönter
Verhaltensweisen klare Spielregeln definieren und eine Orientierung
bieten. „Eine Blacklist soll für Energieunternehmen als Leitgerüst
dienen, um konkrete Verhaltensweisen zu unterlassen, die sich auf
Konsumentinnen und Konsumenten sowie auf den Markt negativ auswirken.
Konkret kann die Blacklist ähnlich zum Wohlverhaltenskatalog der BWB
im Lebensmittelbereich aussehen, die sogar von den großen
Lebensmitteleinzelhändlern unterzeichnet wurde.“ , so Natalie
Harsdorf.
9.
Rascher Beschluss des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) als
wichtigstes Reformprojekt für den Stromsektor. Es ist auch im Sinne
der ökonomischen Effizienz darauf zu achten, dass sich im Gesetz eine
faire Balance zwischen den Rechten der Kundinnen und Kunden auf der
einen und den Energieunternehmen auf der anderen Seite wiederfinden.
„Das betrifft etwa eine verursachungsgerechte Netzkostentragung, ein
ausgewogenes Preisänderungsrecht, Regelungen für die
Energieversorgung bei vertragslosem Zustand sowie die Stärkung der
Konsumentenrechte und deren Durchsetzung. “, fordert Urbantschitsch.
10.
Das Gesetz zur Abmilderung von Krisenfolgen und zur Verbesserung
der Marktbedingungen im Falle von marktbeherrschenden EVUs wurde auf
der Grundlage der Untersuchung der Taskforce beschlossen. „Das Gesetz
ist im Jahr 2024 in Kraft getreten und soll 2027 wieder außer Kraft
treten. Dieser Zeitraum ist sehr kurz, um die Krisenfolgen für den
Wettbewerb effektiv und nachhaltig abzufangen. Es ist sinnvoll, die
Geltungsdauer dieses Gesetzes zu verlängern .“ erklärt Natalie
Harsdorf.
Ein funktionierender Wettbewerb ist ein zentrales Element für
einen effizienten, fairen und verbraucherfreundlichen Energiemarkt. „
In einem wettbewerbsintensiven Umfeld stehen Anbieter unter Druck,
ihre Produkte transparent und verständlich zu gestalten, ihre
Kostenstruktur offenzulegen und auf die Bedürfnisse der Kundinnen und
Kunden einzugehen. Maßnahmen zur Erhöhung der Markttransparenz, zur
Vermeidung struktureller Verzerrungen und zur Stärkung von
Verbraucherrechten tragen somit nicht nur zur Fairness, sondern auch
zur langfristigen Stabilität, Krisenresilienz und Nachhaltigkeit des
Energiesystems bei .“, so Wolfgang Urbantschitsch abschließend.
Der Abschlussbericht der Taskforce ist sowohl auf der Homepage
der BWB als auch auf der Homepage der E-Control abrufbar
https://www.bwb.gv.at/news
https://www.e-control.at/publikationen/untersuchungen
[1] MARKET Institut, Österreichische Bevölkerung ab 18 Jahre,
Sample 1.000, Zeitraum März 2025