Neue Methode zur willentlichen Steuerung bionischer Prothesen

Wien (OTS) – Trotz enormer Fortschritte in den vergangenen zwei
Jahrzehnten bleibt
die willentliche Steuerung bionischer Prothesen eine Herausforderung
und Gegenstand intensiver Forschungen. Nun haben Wissenschafter:innen
der Medizinischen Universität Wien und des Imperial College London
eine neue Methode entwickelt, um die nach einer Armamputation
verbliebenen Nervensignale präzise zu erfassen und für die Kontrolle
eines künstlichen Arms nutzbar zu machen. Die im Fachjournal „Nature
Biomedical Engineering“ publizierten Studienergebnisse könnten die
Grundlage für die Entwicklung der nächsten Generationen von Prothesen
darstellen.

Im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projekts
Natural BionicS wurden bei drei armaputierten Studienteilnehmer:innen
neuartige (40-Kanal-) Mikroelektroden in Muskeln implantiert, welche
zuvor durch eine sogenannte Targeted Muscle Reinnervation (TMR)
wieder mit Nerven verbunden worden waren. Dieses chirurgische
Verfahren leitet nach einer Amputation verbliebene Nervenbahnen in
noch vorhandene Muskeln um und schafft so neue Schnittstellen, über
die neuronale Signale wieder abgerufen werden können.

Durch die Kombination chirurgischer Reinnervation mit
implantierbaren Mikroelektroden gelang es den Wissenschafter:innen
der MedUni Wien und des Imperial College London erstmals, die
Aktivität einzelner Motoneuronen – jener Nervenzellen im Rückenmark,
die Bewegungsbefehle an die Muskeln weiterleiten – direkt zu messen
und deren Signalmuster mit bestimmten Bewegungsabsichten zu
verknüpfen. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, führten die
Teilnehmenden gedanklich verschiedene Bewegungen mit ihrem Phantomarm
durch. „Mit Hilfe unserer Methode konnten wir jene Nervensignale
präzise identifizieren, die zum Beispiel dem Strecken eines Fingers
oder dem Beugen des Handgelenks zugrunde liegen“, berichtet
Studienautor Oskar Aszmann, Leiter des Klinischen Labors für
bionische Extremitätenrekonstruktion an der Universitätsklinik für
Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie der MedUni Wien.

Fundament für Entwicklung drahtloser Implantate
Die Analyse der aufgezeichneten, hoch differenzierten Nervensignale
zeigte zudem, dass komplexe Bewegungsabsichten auch nach einer
Amputation im Nervensystem erhalten bleiben und sich mathematisch
rekonstruieren lassen. Damit ist es möglich, diese Informationen
künftig für die präzise Steuerung bionischer Prothesen zu nutzen.
„Das ist ein entscheidender Schritt, um die Kontrolle bionischer
Gliedmaßen natürlicher und intuitiver zu gestalten“, betont Oskar
Aszmann die Relevanz der Studienergebnisse.

Langfristig soll aus diesen Erkenntnissen ein sogenannter
Bioscreen entstehen – ein System, das die komplexen neuronalen Muster
menschlicher Bewegungen sichtbar macht und so die Grundlage für neue
Generationen von Prothesen bildet. Die aktuelle Forschung legt damit
das Fundament für die Entwicklung drahtloser Implantate, die
Nervensignale direkt und in Echtzeit an bionische Hände oder andere
Assistenzsysteme übertragen können.

Publikation: Nature Biomedical Engineering
Implanted microelectrode arrays in reinnervated muscles allow
separation of neural drives from transferred polyfunctional nerves
Laura Ferrante, Anna Bösendorfer, Deren Yusuf Barsakcioglu, Benedikt
Baumgartner, Yazan Al-Ajam, Norbert Venantius Kang, Oskar Aszmann,
Dario Farina.
https://www.nature.com/articles/s41551-025-01537-y