Wien (OTS) – Heute, Freitag, hat die SPÖ-Bundesbildung zu einer
großen Enquete zum
Thema „Neutralität im Wandel der Zeit“ in die Wiener Bildungsakademie
geladen. SPÖ-Bildungsvorsitzender Prof. Dr. Gerhard Schmid, Direktor
des Renner-Instituts Dr. Sascha Obrecht und renommierte Expert*innen
aus Politik, Wissenschaft und Friedensforschung haben sich darüber
ausgetauscht, wie Neutralitätspolitik in Zeiten internationaler
Spannungen und zunehmender geopolitischer Verflechtungen verstanden
und gelebt werden kann. Vor 70 Jahren, am 26. Oktober 1955, wurde das
Bundesverfassungsgesetz über die österreichische Neutralität
beschlossen. Die Enquete, die rund 50 Gäste besuchten, hat spannende
Perspektiven geboten und war ein voller Erfolg. SPÖ-
Bundesbildungsvorsitzender Gerhard Schmid betonte bei der Eröffnung
der Enquete: „Die Neutralität ist heute nach wie vor eine
unverzichtbare Grundlage der österreichischen Politik und Identität.“
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Schmid sagte, dass „Neutralität unter ständigem Angriff von
verschiedenen politischen Seiten steht. Man muss die Neutralität
unter den heutigen Rahmenbedingungen wieder mit einer aktiven
Außenpolitik gestalten und ihr einen offensiven völkerverbindenden
Stellenwert geben. Das ist auch aus Wiener Sicht als Ort des Dialogs
und der Verantwortung als UNO-Sitz von besonderer Bedeutung. In
offensiver Weise kann eine aktive Neutralitätspolitik ein wertvoller
Beitrag für Völkerverständigung, Frieden und Demokratie sein und die
Türen als Ort der Begegnung öffnen.“
Bundespräsident a. D. Heinz Fischer erinnerte in einer
Videobotschaft an die Errungenschaften Bruno Kreiskys für die
Neutralität Österreichs: „Kreisky war ein besonders engagierter
Verfechter und Befürworter der Neutralität und einer
Neutralitätspolitik mit verfassungsrechtlicher Grundlage. Wir können
froh darüber sein, dass Kreisky so entschieden für die Neutralität
eingetreten ist.“ Fischer begrüßte zudem, dass im aktuellen
Regierungsprogramm mehrfach das Bekenntnis zur Neutralität
festgeschrieben wurde.
Dr. Sascha Obrecht, Direktor des Renner-Instituts, sagte in
seinem Statement: „Die Neutralität ist tief mit der österreichischen
Identität verwoben und ein hohes Gut. Gerade in Zeiten zunehmender
internationaler Konflikte bietet sie die Möglichkeit, Instrument
selbstbestimmter und aktiver Außen- und Friedenspolitik zu sein.“
In ihrer Keynote zum Thema „Österreichs Neutralität zwischen
außenpolitischer Positionierung und aktiver Neutralitätspolitik“
warnte Univ.-Prof.in Dr.in Lucile Dreidemy, MA von der Universität
Wien: „Wenn wir von einer Zunahme der antidemokratischen Kräfte in
der Welt ausgehen, frage ich mich, wie die Welt aussehen würde, wenn
wir diesen aufgerüstete Waffenarsenale mitgeben.“
Privatdozent Mag. Dr. Thomas Roithner, Friedensforscher an der
Universität Wien, sagte beim Expert*innengespräch zum Thema „Aktive
Neutralitätspolitik und ihre Chancen“: „Ein neutraler Staat
verpflichtet sich, an keinem Krieg teilzunehmen, auf keiner Seite.
Neutral sein heißt aber nicht, nichts zu tun. Wie können wir global
und im EU-Rahmen friedenspolitische Gestaltungsräume wahrnehmen?
Österreichs Neutralität muss glaubwürdig und nützlich sein. Ein
positives Beispiel ist Österreichs Engagement bei der humanitären
Abrüstung und Rüstungskontrolle. Stellvertretend steht hier der
völkerrechtliche Atomwaffenverbotsvertrag.“
Mag. Dr. Florian Wenninger, Leiter des Instituts für Historische
Sozialforschung, betonte: „Wenn wir über die Abkehr von der
Neutralität debattieren, müssen wir offen aussprechen, was die
Alternative wäre: Der Beitritt zu einem Verteidigungsbündnis – in
Ermangelung einer Europäischen Sicherheitsarchitektur wäre das
realiter die NATO. Dies würde die Aufstockung der zu erwartenden
Verteidigungsausgaben auf 5 Prozent des BIP bedeuten, was nachhaltige
Einschnitte in das österreichische Sozialsystem unvermeidlich machen
würde. Eine durchaus fragwürdige Steigerung der äußeren Sicherheit
ginge also einher mit einer massiven Schwächung der sozialen
Sicherheit. Zudem ist die Hoffnung, die Konjunktur mithilfe von
Rüstungsausgaben anzukurbeln, verfehlt: Volkswirtschaftlich wirken
Rüstungsausgaben wie Konsumausgaben, sie lösen keine nachhaltigen
Effekte aus, zudem wandern sie zu mehr als zwei Dritteln ins Ausland.
Demgegenüber wären Infrastrukturinvestitionen, etwa im Bereich der
Eisenbahn, wesentlich sinnvoller.“
Dr.in Karin Moser, Historikerin und Moderatorin des Gesprächs,
betonte: „Die aktuelle internationale geopolitische Situation stellt
uns vor neue Herausforderungen, sie bietet uns aber auch neue Chancen
im Sinne einer aktiven österreichischen Neutralitätspolitik, wie z.B.
ein globales Engagement in Fragen der sozialen Sicherheit, in
Gleichstellungsfragen, im Bereich der digitalen Sicherheit oder der
Sicherung der Pressefreiheit.“
SERVICE: Fotos von der Enquete stehen in Kürze auf der Flickr-
Seite der SPÖ-Bildung unter https://www.flickr.com/people/196943159@
N03/ zum Download zur Verfügung.
(Schluss) bj/ls