Caritas: Teilhabe darf niemals vom Budget abhängen.

Wien (OTS) – Vor 17 Jahren ratifizierte Österreich die UN-
Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), doch zur Umsetzung der
Konvention ist es noch ein weiter Weg. Defizite gibt es zahlreiche.
Aktuell ist die Finanzierung des Ausgleichstaxfonds (ATF) durch
Budgetkürzungen weiter unter Druck geraten. Infolgedessen sind
Maßnahmen zur Arbeitsinklusion massiv gefährdet – die Caritas weist
auf gravierende Konsequenzen dieser Kürzungen hin.

Zwtl.: Kürzungen führen zu Rückschritten bei Inklusion und
Beschäftigung

Der ATF ist ein zentrales Instrument der Inklusionspolitik und
Finanzierungsquelle für Maßnahmen beruflicher – somit
gesellschaftlicher – Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Laut
Plänen der Bundesregierung werden die Zuschüsse an den ATF bis 2026
um 23–25 Millionen Euro sinken, in einem weiteren Schritt nochmals um
50 Millionen Euro reduziert. Damit drohen massive Einschnitte in
Programme, die Inklusion in den Arbeitsmarkt sichern, so Nora
Tödtling-Musenbichler, Präsidentin der Caritas Österreich: „Wir sehen
die Auswirkungen mit großer Sorge. Gerade wenn wir nach 17 Jahren
ratifizierter UN-Behindertenkonvention feststellen müssen, dass noch
immer zahlreiche Defizite bestehen – von ungleichen Chancen am
Arbeitsmarkt bis hin zu fehlender Bildungsinklusion – darf nicht an
etablierten Mitteln zur UN-BRK-Umsetzung gekürzt werden. Im
Gegenteil: Jetzt ist der Moment, Inklusion planmäßig auszubauen und
die notwendigen Mittel zu sichern, damit Menschen mit Behinderungen
als zentraler Teil unserer Gesellschaft gestärkt werden.“

Die aktuellen Kürzungen zeigen bereits jetzt gravierende Folgen:
Der Mobilitätszuschuss wird halbiert, bewährte Inklusionsprojekte
müssen schließen, Personal wird abgebaut. Menschen mit Behinderungen
und ihre Angehörigen spüren die Auswirkungen unmittelbar.
Förderprogramme wie „Barriere:freie Unternehmen“ in Wien oder das
Jugendcoaching in Niederösterreich werden reduziert bzw. gedeckelt –
mit der Folge, dass Jugendliche mit Behinderungen nicht mehr
ausreichend bei der Wahl und Aufnahme einer Berufsausbildung
begleitet, und somit nicht gezielt auf den Eintritt in den
Arbeitsmarkt vorbereitet werden können. Auch in Vorarlberg zeigen
sich die Konsequenzen deutlich: Dort kommt es bereits zu Schließtagen
in Tagesstrukturen. Für viele Familien bedeutet das eine enorme
Belastung, insbesondere für Mütter, die die Betreuung ihrer
Angehörigen häufig allein übernehmen müssen.

Kürzungen wie diese machen es unmöglich, Unterstützungsangebote,
die Menschen mit Behinderungen Teilhabe am Arbeitsmarkt ermöglichen,
in der erforderlichen Quantität und Qualität aufrechtzuerhalten, so
Tödtling-Musenbichler: „Auf lange Sicht kommt es zur Zerstörung
bewährter Strukturen, zu langen Wartelisten für Betreuungsplätze, zu
Rückschritten bei Arbeitssuche und Arbeitsplatzerhaltung, wie auch
entsprechenden wirtschaftlichen Konsequenzen“.

Zwtl.: Die UN-Behindertenrechtskonvention ist menschenrechtliche
Verpflichtung

Die Caritas erlebt tagtäglich, wie solche finanziellen
Entscheidungen Menschen mit Behinderungen und ihre Familien
unmittelbar treffen. Nora Tödtling-Musenbichler dazu: „Die
Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen bleibt in Österreichs
öffentlicher Wahrnehmung viel zu oft unsichtbar. Dass wir zusehen
müssen, wie Menschenrechte zur Verhandlungssache werden, ist
erschütternd. Die Politik muss endlich Verantwortung übernehmen und
die Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention ernst
nehmen. Inklusion in der Arbeitswelt ist kein Privileg oder
‚Wohlwollen‘, sondern gesetzlicher Auftrag und völkerrechtliche
Verpflichtung. Teilhabe ist ein Menschenrecht und Menschenrechte
dürfen niemals vom Budget abhängen.“

Die angekündigten Einsparungen stehen zudem im Widerspruch zu den
Zielen im Regierungsprogramm, unterstreicht Tödtling-Musenbichler:
„Inklusion braucht vielmehr eine verlässliche, zweckgebundene und
dauerhafte Finanzierung. Dafür braucht es eine Koordinations- und
Zielsteuerung zwischen Bund, Ländern und Trägern.“ Nur so könne die
Sicherung des ATF als Quelle der Menschenrechtsfinanzierung umgesetzt
werden.

„Inklusionsmaßnahmen stärken zudem den gesamten Arbeitsmarkt –
sie schaffen Arbeitsplätze, Wertschöpfung und soziale Stabilität“,
betont Tödtling-Musenbichler weiter. „Wenn wir in einer solidarischen
Gesellschaft leben wollen, die niemanden zurücklässt, müssen wir
jetzt reagieren und die Stimme für jene Mitglieder unserer
Gesellschaft erheben, die weniger wahrgenommen werden und doch die
gleichen Rechte haben wie alle anderen. Das sehen wir als unseren
zentralen Auftrag“, so Caritas-Präsidentin Tödtling-Musenbichler
abschließend.