Wien (OTS) – Wenn es nicht gelingt, den Klimawandel und die
Erderwärmung
einzudämmen, muss man bei der Bauweise ansetzen, um den Menschen in
der Stadt im Sommer ein erträgliches Wohnen zu ermöglichen. Das
erklärt Alexander Sieh, Bauphysiker und Experte für klimaangepasstes
Bauen am Department Bauen und Gestalten der Hochschule Campus Wien.
Zwtl.: In 30 Jahren 40 Grad Hitze in Wien
Trotz guter Vorsätze und ambitionierter Klimaziele würden sowohl
Durchschnitts- als auch Maximaltemperaturen weiter ansteigen, sagt
Bauexperte Alexander Sieh. „Es hat jetzt 35 Grad in Wien. Das wird in
den nächsten 30, 40 Jahren noch schlimmer werden. Dann werden wir
über 40 Grad an mehreren Tagen hintereinander haben. Die Hitzespirale
schraubt sich immer weiter nach oben. Und deshalb ist unser Plan B
die Anpassung an das Klima. Wie können wir Gebäude und ihre Umgebung
gestalten, dass sie nicht überhitzen und uns Menschen weiter
schützen?“
Zwtl.: Lichtdurchflutete Dachbodenausbauten und Bürotürme mit
Glasfassaden sind passé
Generell wird sich die Architektur in den Städten besser an die
Sommerhitze anpassen müssen und einige Bauweisen werden verschwinden,
meint Sieh, der an der Hochschule Campus Wien in den Studiengängen
Bauingenieurwesen – Baumanagement sowie Architektur – Green Building
lehrt. „Die teuren Dachgeschossausbauten und gläsernen Bürotürme sind
oft aufgrund ihrer großen Glasflächen und geringen Speichermasse
energetisch ineffizient und funktionieren im Sommer nur mit
Klimaanlage, also mit großem Energieeinsatz.“
Zwtl.: Hitzeinseln in der Stadt
Aber nicht nur Bürotürme oder Dachwohnungen würden sich tagsüber
aufheizen, auch die gesamte Masse der Stadt. „Die Stadt wird zur Heat
Island oder Hitzeinsel. Sie ist so heiß, dass sie auch in der Nacht
kaum noch abkühlt. Teilweise sind in der Nacht die Temperaturen in
Städten um 6°C höher als im wenig bebauten Umland.“, erklärt Sieh.
Zwtl.: Vorbild Altbau
Im Gegensatz dazu habe der klassische Altbau kleinere
Fensterflächen und massive Wände. Die begrünten Innenhöfe würden
durch Wasserverdunstung die Luft abkühlen und so auch in der Stadt
niedrigere Außentemperaturen schaffen. Meistens hätten
Altbauwohnungen außerdem Fensteröffnungen an zwei Fassadenseiten. So
könne man die Bausubstanz durch Querlüften in der Nacht abkühlen.
Zwtl.: Begrünung und Wasser kühlen
„An diesem Beispiel sieht man, dass klimaangepasstes Bauen nicht
nur das Gebäude selbst, sondern auch die Umgebung betrifft. Man muss
es schaffen, grüne und blaue Infrastruktur zu integrieren, also
genügend Grün und Wasser in die Städte zu bringen. Durch die
Verdunstungskälte, eigentlich Verdunstungsenthalpie, kann ein Baum
seiner Umgebung genau so viel Hitze entziehen wie eine übliche
Klimaanlage, ganz ohne Strom.“
Zwtl.: Jedes Verbrennerauto ist ein Kachelofen auf Rädern
Man dürfe auch nicht auf die menschengemachte Erhitzung der Stadt
durch Klimaanlagen und Verbrennungsmotoren vergessen, führt Alexander
Sieh aus. „Jedes Auto mit Verbrennungsmotor gibt 70% der Energie als
Wärme an die Umgebung ab. Elektromotoren im Vergleich dazu nur 10%.
Damit ist jedes Auto mit Verbrennungsmotor im Verkehr energetisch wie
ein Kachelofen auf Rädern und erhitzt die Stadt von innen. Nur als
Größenordnung, es braucht 15 große Stadtbäume, um diese Hitze
unmittelbar zu kompensieren.“ Verkehrsregulierungen würden künftig in
der klimaangepassten Stadt eine wichtige Rolle spielen.
Zwtl.: Stadt durchlüften
Wind bzw. Durchlüftung sei für eine auch in der Hitze
funktionierende Stadt sehr wichtig. „Wien ist gut durchlüftet – aus
dem Wienerwald und entlang des Donautals kommt frische Luft in die
Innenbezirke. Bei der Stadtplanung muss man darauf achten, dass die
Windschneisen nicht verbaut werden. Denn durch intelligente
Raumplanung ermöglicht man die Durchlüftung der Stadtkerne und
koppelt die Stadt besser an die umliegenden Wälder und Flüsse an.“
Zwtl.: Experiment Hitzemessung
Um die Auswirkungen von Versiegelung und fehlender Grünflächen
auf die Temperatur zu messen, hat der Experte für klimaangepasstes
Bauen ein Experiment durchgeführt. „Ich bin mit meinem E-Roller und
einem mobilen Messgerät am Abend von unserer Hochschule im 10. Bezirk
durch Wien in den Wienerwald gefahren. In der Stadt hatte es
durchwegs 30°C. Als ich dann im 14. Bezirk in eine Gasse mit Bäumen,
einem kleinen Bach und kaum Verkehr eingebogen bin, ist die
Temperatur schlagartig auf 26°C gesunken.“ Dies, so Sieh
abschließend, sei ein schönes Beispiel über die Wirkung und die
Möglichkeiten von grüner und blauer Infrastruktur in der Stadt.
Zwtl.: Hochschule Campus Wien
Mit rund 8.500 Studierenden an zwei Standorten und zwei
Kooperationsstandorten ist die Hochschule Campus Wien die größte
Fachhochschule Österreichs. In den Departments Angewandte
Pflegewissenschaft, Applied Life Sciences, Bauen und Gestalten,
Gesundheitswissenschaften, Soziales, Technik sowie Verwaltung,
Wirtschaft, Sicherheit, Politik steht ein Angebot von nahezu 70
Studienprogrammen in berufsbegleitender und Vollzeit-Form zur
Auswahl. Anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung wird in zehn
fachspezifischen Forschungszentren gebündelt. Fort- und Weiterbildung
in Form von Seminaren, Modulen und Zertifikatsprogrammen deckt die
Hochschule über die Hochschule Campus Wien Academy ab. Die Hochschule
Campus Wien ist Gründungsmitglied im Bündnis Nachhaltige Hochschulen.
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