Nationalratssitzung endet mit Ersten Lesungen zu ORF-Haushaltsabgabe und Konversionsmaßnahmen

Wien (PK) – Nach der heutigen Nationalratssitzung haben die
Abgeordneten das Ende
der Tagung 2024/25 mit 15. Juli beschlossen. Der Innenausschuss kann
aber auch im Sommer zusammentreten. Er wurde von den Abgeordneten
einstimmig für permanent erklärt. Auch der Nationalrat kann während
der tagungsfreien Zeit jederzeit zu Sondersitzungen bzw.
außerordentlichen Tagungen einberufen werden, wenn ein entsprechendes
Verlangen ausreichend unterstützt ist. Die nächste Tagung beginnt am
9. September.

Der Geschäftsordnungsausschuss könnte ebenfalls in den
Sommermonaten zusammentreten, falls der Verfassungsgerichtshof den
Bedenken von ÖVP, SPÖ und NEOS gegen den von der FPÖ verlangten
Untersuchungsausschuss nicht folgt. Er müsste dann die vorerst nicht
gefassten Beschlüsse für die Einsetzung des ÖVP-Machtmissbrauchs-
Untersuchungsausschusses fassen.

Vor Schluss der Sitzung haben sich die Abgeordneten im Rahmen von
Ersten Lesungen noch mit einem Volksbegehren gegen die ORF-
Haushaltsabgabe beschäftigt sowie mit einem von den Grünen
vorgeschlagenen Gesetz zum Schutz vor Konversionsmaßnahmen, also
Praktiken zur Veränderung der sexuellen Orientierung oder
Geschlechtsidentität. In Dritter Lesung endgültig grünes Licht gab es
für eine Geschäftsordnungsnovelle zur Umsetzung der
Informationsfreiheit im Nationalrat.

Nationalratspräsident Walter Rosenkranz bedankte sich
abschließend bei seinen 182 Kolleginnen und Kollegen, „die mit
persönlichem Einsatz und politischer Überzeugung Verantwortung
übernehmen“. Im Sommer folge nun eine intensive Zeit in den
Wahlkreisen. Von „XXL-Ferien“, wie in manchen Medien zu lesen war,
sei keine Spur.

Volksbegehren „ORF-Haushaltsabgabe nein“

Eine erste Debatte fand über das Volksbegehren „ORF-
Haushaltsabgabe nein“ statt. Exakt 119.368 Personen lehnen darin die
mit 1. Jänner 2024 eingeführte ORF-Haushaltsabgabe ab. Die
Haushaltsabgabe sei „unsachlich und unfair“, da sie auch von jenen
bezahlt werden müsse, die den ORF gar nicht konsumieren, machen die
Initiator:innen rund um Robert Marschall geltend. Zudem werfen sie
dem ORF vor, nicht sachlich, objektiv, umfassend und ausgewogen zu
berichten und damit gegen den Programmauftrag zu verstoßen. Das
Volksbegehren wurde dem Verfassungsausschuss zur weiteren Beratung
zugewiesen.

Christoph Steiner und Dagmar Belakowitsch (beide FPÖ) begrüßten
die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in Form von
Volksbegehren. Auch inhaltlich konnten sie der Initiative etwas
abgewinnen. Steiner bezeichnete den ORF als „grottenschlecht“ und
„linksversifft“, für letzteren Ausdruck erhielt er einen Ordnungsruf.
Belakowitsch kritisierte den ORF für „Luxusgehälter,
Regierungspropaganda, Gendersprache und sinnlose amerikanische
Serien“. Sebastian Schwaighofer (FPÖ) sprach von einer
„Zwangsbeglückung“. Er stellte die Frage in den Raum, warum die
Menschen zum ORF gezwungen werden müssten, wenn dieser wirklich das
beste Programm anbiete. Auch für Elisabeth Heiß (FPÖ) wird man beim
ORF gezwungen, für etwas zu zahlen, das es sich nicht lohnt
einzuschalten.

Von der ÖVP bekannte sich Kurt Egger zu einem dualen
Medienstandort, zu Qualitätsjournalismus und Medienvielfalt und zur
Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Mit dem ORF-
Beitrag habe man eine verfassungskonforme Regelung beschlossen,
betonte er. Klar sei aber auch, dass der ORF digitaler, sparsamer und
regionaler werden müsse. Klaus Seltenheim (SPÖ) bezeichnete einen
starken ORF als „demokratische Daseinsvorsorge“ und positionierte
sich gegen jegliche „Abschaffungsfantasien“. Die Regierung werde den
ORF reformieren, aber nicht zulassen, dass er zum Spielball
parteipolitischer Interessen werde, betonte Seltenheim. Henrike
Brandstötter (NEOS) sah im Volksbegehren „gute Punkte“, etwa in der
Forderung, dass der ORF parteiunabhängig werden müsse. Sie sprach
sich für einen schlanken ORF mit gleichzeitig bester Qualität aus.

Grün halte zum ORF, betonte Sigrid Maurer (Grüne). Sie stehe auch
hinter der Reform, die in der vergangenen Legislaturperiode gemeinsam
beschlossen und jüngst vom Verfassungsgerichtshof für konform erklärt
worden sei. Ein unabhängiger Rundfunk sei unabdingbar für die
Demokratie, so Maurer.

Erste Lesung zu Konversionsmaßnahmen-Schutz-Gesetz

Dem Justizausschuss zugewiesen wurde ein Gesetzesvorschlag der
Grünen zum Schutz vor Konversionsmaßnahmen oder konversiv-reparative
Praktiken . Es handelt sich dabei um Maßnahmen, die eine Veränderung
der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität zum Ziel
haben. Geht es nach den Grünen, soll die Durchführung solcher
Maßnahmen bei vier Personengruppen verboten werden: bei
Minderjährigen, bei jungen Erwachsenen unter 21 Jahren bei Ausnützung
einer Zwangslage oder eines Mangels an Urteilsvermögen, bei nicht-
entscheidungsfähigen bzw. wehrlosen Personen sowie bei Vorliegen
eines besonderen Autoritätsverhältnisses. Eine Einwilligung der
betroffenen Person oder ihrer gesetzlichen Vertreter:innen sollte
nicht wirksam sein, so die Grünen. Als Strafe bei Verstößen schlagen
sie bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe von bis zu
720 Tagessätzen vor.

Nicht vom Verbot umfasst sein sollen wissenschaftlich anerkannte
Behandlungen von Störungen der Sexualpräferenz oder von sogenannten
paraphilen Störungen, etwa Pädophilie oder Voyeurismus. Auch fachlich
fundierte Behandlungsmöglichkeiten, deren Ziel die Steigerung des
Selbstwerts von lesbischen, schwulen, bisexuellen oder nicht-
cisgender Personen ist, sollen vom Gesetz unberührt bleiben.

„You cannot pray the gay away“, wiederholte David Stögmüller (
Grüne) einen Ausspruch, der aus dem Leid zahlloser junger Menschen
formuliert worden sei, denen man eingeredet habe, sie müssten von
etwas geheilt werden, das keine Krankheit ist. 30 % der LGBTIQ-
Personen in Österreich hätten laut einer europäischen Studie bereits
Konversionsmaßnahmen erlebt. Versuche, Personen „umzupolen“, ihre
sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität verändern zu wollen,
seien Menschenrechtsverletzungen, betonte Stögmüller. Solche
Maßnahmen seien nicht therapeutisch, sondern zerstörerisch.
Stögmüller betonte, dass die Grünen für mehr psychologische Betreuung
von jungen Menschen eintreten und nicht für Operationen bei
Transpersonen unter 18 Jahren seien.

Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ) ortete ein „sensibles
Thema“. Konversionstherapien seien abzulehnen, aber die Frage der
Abgrenzung müsse man sich genau anschauen. Hier dürfe kein
Schnellschuss passieren. Der Antrag sei für sie auf den ersten Blick
ein Angriff auf die Souveränität der Familie. Der Staat dürfe nicht
in das Familienleben eingreifen. Es gehe darum, Kinder und
Jugendliche vor Eingriffen zu schützen, die nicht mehr rückgängig
gemacht werden können, sagte Giuliani-Sterrer mit Blick auf
Operationen von Transpersonen.

Für Nico Marchetti (ÖVP) ist wichtig, über so „heikle Themen“
sachlich zu diskutieren. Gegen ein Verbot von Konversionstherapien
habe sich der Nationalrat bereits in der letzten Gesetzgebungsperiode
einstimmig ausgesprochen. Bei der Frage der Transsexualität, bei
Geschlechtsumwandlungen und Hormontherapien müsse man vorsichtig sein
und auf die Wissenschaft hören, meinte Marchetti.

Auch Henrike Brandstötter (NEOS) betonte den Allparteienkonsens
gegen sogenannte „Homo-Heilungen“. Der Antrag der Grünen sei aber
nicht gut, voll elitärer Sprache und müsse überarbeitet werden.
Brandstötter wolle in der Regierungsbeteiligung das umsetzen, was den
Grünen nicht gelungen sei: „Homo-Heilungen“ endlich abzuschaffen,
damit nächsten Sommer keine „Umpolungs-Camps“ mehr stattfinden. „Dazu
sollten wir uns durchringen“, sagte sie.

Mario Lindner (SPÖ) betonte, dass im medizinischen und
therapeutischen Bereich Konversionstherapien bereits seit 2019
verboten seien. Das Problem liege bei privaten Vereinen,
„Verschwörungstheoretikern und fundamentalistischen, religiösen
Gruppen“. Diesen Praktiken und der „Gehirnwäsche“ müsse man einen
Riegel vorschieben. Um vom Thema abzulenken, werde die Sache gern mit
anderen Fragen vermischt, etwa den medizinisch nicht notwendigen
Operationen von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen,
kritisierte Lindner.

Einhellige Zustimmung zur Geschäftsordnungsnovelle auch in
Dritter Lesung

Endgültig grünes Licht gab der Nationalrat für eine von den fünf
Parteien gemeinsam vorgeschlagene Novelle zum Geschäftsordnungsgesetz
. Wie schon in Zweiter Lesung am Mittwoch erhielt der Gesetzesantrag
auch in Dritter Lesung die Zustimmung aller Fraktionen. Dabei geht es
vor allem um die Anpassung der Geschäftsordnung des Nationalrats an
das ab 1. September geltende Grundrecht auf Information bzw. die
Veröffentlichung von Informationen von allgemeinem Interesse auf der
Parlaments-Website. Da bei GOG-Änderungen zwischen Zweiter und
Dritter Lesung mindestens 24 Stunden liegen müssen, fand die letzte
Abstimmung erst heute statt. (Schluss Nationalrat) kar/gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können
auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand
in der Mediathek des Parlaments verfügbar.