Wien (PK) – Am Beginn des letzten Sitzungstages des Nationalrats vor
Tagungsende
stand Außenministerin Beate Meinl-Reisinger den Abgeordneten Rede und
Antwort. Themen waren unter anderem die Lage im Nahen Osten, der
Krieg in der Ukraine, die Situation in der Türkei, Energieimporte aus
Russland und Prioritäten der österreichischen
Entwicklungszusammenarbeit. Meinl-Reisinger betonte die Bedeutung
aktiver Diplomatie in Konfliktregionen, verwies auf ein „kleines
Fenster der Hoffnung“ im Nahost-Friedensprozess und unterstrich
Österreichs sicherheitspolitisches wie wirtschaftliches Interesse an
einer stabilen Ukraine. Auch Rückführungsabkommen, internationale
Sanktionen und der Reformbedarf in der Entwicklungszusammenarbeit
wurden von den Abgeordneten angesprochen.
Meinl-Reisinger über Friedensoptionen im Nahen Osten
Zu der Lage im Nahen Osten und den verschiedenen Konfliktlagen
hielt Meinl-Reisinger grundsätzlich fest, dass der Diplomatie wieder
der Weg geebnet werden sollte. Sie berichtete auf Nachfrage Andreas
Minnichs (ÖVP) von verschiedenen Reisen, etwa nach Ägypten, Jordanien
und Israel und erklärt, dass sie derzeit ein „kleines Fenster der
Hoffnung und der Option auf Frieden“ sehe. So könne etwa die
Freilassung der israelischen Geiseln eine Grundlage für eine
Befriedung des Gaza-Krieges bieten. Insbesondere die USA, Katar und
Ägypten seien maßgeblich daran beteiligt, für Stabilität in der
Region zu sorgen und damit auch die Basis für wirtschaftliche
Prosperität zu schaffen. Dieses Fenster sollte laut Meinl-Reisinger
auch genutzt werden, um etwa weitere Friedensverträge Israels etwa
mit dem Libanon, Syrien und Saudi Arabien abzuschließen.
Die österreichische Bundesregierung werde die Friedensbemühungen
„nach Leibeskräften“ unterstützen, da es auch im „ureigensten
Interesse“ Europas liege, mit einer Stabilisierung der Region etwa
auch Fluchtursachen auszuräumen, antwortete Meinl-Reisinger etwa
Sebastian Schweighofer (FPÖ). Auch die Forcierung von
Rückführungsabkommen sei neben der Schaffung legaler Migrationswege
für ausgebildete Arbeitskräfte ein Anliegen ihrer Reisen gewesen.
In Israel habe sie „freundschaftliche, aber sehr ernste
Gespräche“ über die „unerträgliche humanitäre Situation“ in Gaza
geführt, berichtete Meinl-Reisinger der Abgeordneten Pia Maria
Wieninger (SPÖ). Auch wenn diese die Beziehungen Israels zur EU
belasteten, habe Österreich nicht für eine Aussetzung des
Assoziierungsabkommens gestimmt, um die „Gesprächskanäle offen zu
halten“. Schließlich sei in Israel nun ein Kabinettsbeschluss gefasst
worden, durch den wieder weitere Hilfslieferungen nach Gaza
zugelassen werden sollen. Ihre Sorge äußerte Meinl-Reisinger auch
über die Handlungen extremistischer israelischer Siedler:innen im
Westjordanland, da diese eine Zweistaatenlösung – an der nicht nur
Österreich festhalte – erschweren würden. Sanktionen gegen die
Siedler:innen seitens der EU seien an einem Veto Ungarns gescheitert.
Im Konflikt zwischen Israel und dem Iran, den Andreas Minnich (
ÖVP) ansprach, führe ebenfalls kein Weg an einer Verhandlungslösung
vorbei und Österreich habe sich für die Gespräche als Schauplatz
angeboten, so Meinl-Reisinger. Es sei jedenfalls im Interesse
Österreichs, einen nuklear bewaffneten Iran zu verhindern.
Für die aktuelle Situation in der Türkei interessierten sich
Petra Bayr (SPÖ) und Süleyman Zorba (Grüne). Meinl-Reisinger erklärte
angesichts der Verhaftung von Ekrem İmamoğlu, dem ehemaligen
Bürgermeister Istanbuls, sowie von über 100 weiteren
Oppositionspolitiker:innen, dass die dortige „Repressionswelle eine
neue Dimension erreicht“ habe. Die Rückschritte in der Meinungs-,
Presse- und Versammlungsfreiheit würden auch das Verhältnis zur EU
belasten, deren Mitgliedstaaten in dieser Frage geschlossen auftreten
und etwaige Schritte gegen die Türkei „überlegen“ müssten. Meinl-
Reisinger selbst habe bereits im Juni gegenüber ihrem türkischen
Amtskollegen Hakan Fidan ihre Sorge zum Ausdruck gebracht.
Ukraine: Unterstützung nicht nur aus moralischen Gründen, sondern
auch aus Eigeninteresse
Der Krieg in der Ukraine „tobt mit Brutalität“ weiterhin, nur
Wochen nachdem sich die ukrainische Führung zu einem umfassenden
Waffenstillstand bekannt habe, erklärte Meinl-Reisinger gegenüber
Dominik Oberhofer (NEOS). Es sei wichtig, dass dieser Krieg
angesichts anderer weltpolitischer Krisengebiete nicht aus dem Fokus
gerate. US-Präsident Donald Trump habe Russland einen „guten Weg“ zur
Beendigung des Konflikts aufgezeigt, doch Wladimir Putin sei an
Frieden offenbar nicht interessiert und halte an seinen
Maximalforderungen fest. Der Druck auf Russland müsse nun erhöht
werden, um Putins Verhandlungsbereitschaft zu erhöhen. „Am Tag von
Frieden zu sprechen und in der Nacht Zivilisten anzugreifen“ sei
keine glaubwürdige Position, so Meinl-Reisinger. Christian Oxonitsch
(SPÖ) antwortete sie, dass es Österreich auch ein großes Anliegen
sei, einen Sondergerichtshof zur Verfolgung russischer
Kriegsverbrechen einzurichten. Gespräche dazu seien auch in Wien
abgehalten worden.
Meinl-Reisinger betonte zudem gegenüber Andreas Minnich (ÖVP),
dass Österreich die Ukraine nicht nur aus moralischen Gründen
unterstütze. Es liege in Österreichs Interesse als kleinem Land, dass
derartige Verletzungen des Völkerrechts „nicht Schule machen“. Zudem
befinde sich die Ukraine in einer „Pufferlage“ zu Russland, das
offensichtlich an keiner Normalisierung der Beziehung zu Europa
interessiert sei. Beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr
Selenskyj im Juni seien mehrere Vereinbarungen unterzeichnet worden,
die unter anderem die wirtschaftliche Zusammenarbeit insbesondere
beim Wiederaufbau der Ukraine zum Gegenstand hatten, berichtete Meinl
-Reisinger. Hier biete sich auch der österreichischen Wirtschaft eine
„Riesenchance“.
Harald Thau (FPÖ) fragte, welche Mittel die Außenministerin
Selenskyj trotz der eigenen angespannten Budgetlage Österreichs
zugesagt habe. Meinl-Reisinger bezeichnete es als „ein bisschen
schäbig, das eine gegen das andere auszuspielen“, da die „Dimensionen
nicht vergleichbar“ seien. Man habe der Ukraine zur Ausstattung von
Schulen und Kindergärten mit Schutzräumen 3 Mio. Ꞓ zur Verfügung
gestellt.
Zur Frage der Energieimporte aus Russland, nach der sich Dagmar
Belakowitsch (FPÖ) und Meri Disoski (Grüne) erkundigten, erklärte
Meinl Reisinger, dass Österreich den Vorschlag der Kommission, diese
Importe bis 2027 zu beenden, unterstütze. Österreich habe sich Anfang
dieses Jahres bereits von russischem Gas „befreit“. Es sei jedoch
notwendig, diese Frage vor dem Hintergrund der Versorgungssicherheit
Europas zu betrachten und auch die Preisentwicklung „ehrlich zu
evaluieren“. Die Sanktionen müssten dem Sanktionierten mehr schaden,
als den Initiatoren. Meinl-Reisinger betonte, dass man die Fehler der
Vergangenheit nicht wiederholen dürfe und mit einer
Diversifizierungsstrategie Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten
und damit „Erpressbarkeit“ vermeiden müsse.
Entwicklungszusammenarbeit, Verteidigungspolitik und weitere
Themen
Ein weiteres Thema in der Fragestunde war die
Entwicklungszusammenarbeit. So bezweifelte etwa Axel Kassegger (FPÖ)
die Effizienz und Effektivität einiger „fragwürdiger Projekte“, etwa
zur Erhöhung der Akzeptanz von COVID-19-Impfungen in Georgien und
Armenien. Auch Gudrun Kugler (ÖVP), Henrike Brandstötter (NEOS) und
Antonio Della Rossa (SPÖ) fragten nach der Mittelverwendung
angesichts der angespannten Budgetlage. Außenministerin Meinl-
Reisinger anerkannte ebenfalls dieses Spannungsfeld und die
Notwendigkeit der Wahrung österreichischer Interessen. In diesem
Sinne müsse die Entwicklungszusammenarbeit effizienter werden und
Doppelgleisigkeiten vermieden werden. Besonders der Rückzug einiger
Staaten wie der USA aus der Entwicklungszusammenarbeit bereite ihr
„große Sorgen“, sagte Meinl-Reisinger. Doch Österreich „kann und
will“ diesen Rückzug angesichts der eigenen Budgetlage nicht
kompensieren – dies wäre den Steuerzahler:innen nicht zumutbar. Das
Niveau der österreichischen Entwicklungshilfe sei jedoch immer noch
hoch. Es gelte, klare Priorisierungen zu treffen und etwa durch ein
verbessertes Monitoring „mit jedem eingesetzten Euro“ mehr Wirkung zu
erzielen, so Meinl-Reisinger.
Volker Reifenberger (FPÖ) und David Stögmüller (Grüne)
thematisierten darüber hinaus die österreichische und europäische
Verteidigungspolitik. So äußerte Reifenberger neutralitätsrechtliche
Bedenken bezüglich des Verteidigungsabkommens zwischen der EU und
Kanada. Österreich sei verpflichtet, an der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik der EU mitzuwirken, antwortete Meinl-Reisinger.
Die EU könne „völlig demokratisch legitimiert“ auch Kooperationen in
diesem Bereich eingehen. Kanada sei dahingehend ein „wunderbarer
Partner“, der die europäischen Werte teile. Österreich werde
weiterhin ein verlässlicher sicherheitspolitischer Partner sein und
an der „Vollendung der Verteidigungsunion“ mitarbeiten, um den
Frieden auch für die nächsten Generationen zu sichern, so Meinl-
Reisinger.
Weiters interessierten sich Christofer Ranzmeier (FPÖ) und Josef
Hechenberger (ÖVP) für Südtirol, wo Meinl-Reisinger „bedeutsame
Fortschritte“ bezüglich der Revision des Autonomiestatuts sieht.
Gudrun Kugler (ÖVP) sprach die dänische EU-Ratspräsidentschaft und
die Lage in Georgien an. Elke Hanel-Torsch (SPÖ) thematisierte den
Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. (Fortsetzung
Nationalrat) wit
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