Wien (PK) – Zwei Volksbegehren wurden heute vom Nationalrat
abschließend beraten.
Beide Initiativen hatten die Hürde von zumindest 100.000
Unterschriften zur Behandlung im Hohen Haus erreicht. Konkret
betrifft das die Anliegen und Forderungen des Volksbegehrens „Essen
nicht wegwerfen!“ . Dabei herrschte unter den Abgeordneten Einigkeit
über den Bedarf zur weiteren Reduktion von Lebensmittelverschwendung.
So wurde ein von den Koalitionsparteien eingebrachter
Entschließungsantrag einstimmig angenommen. Darin wird die Regierung
unter anderen ersucht, bestehende Maßnahmen gegen
Lebensmittelverschwendung zu evaluieren und gegebenenfalls
anzupassen. Trotz Zustimmung kam dazu von Seiten der FPÖ und der
Grünen Kritik. Diese vermissten die Formulierung konkreter Maßnahmen
und Vorschläge.
Im Rahmen der Diskussion über das „Nein zu Atomkraft-
Greenwashing“ Volksbegehren waren sich die Abgeordneten zudem über
die Ablehnung der Kernenergie einig. Beide Initiativen wurden vom
Nationalrat einstimmig zur Kenntnis genommen.
Volksbegehren „Essen nicht wegwerfen!“
Abschließend beraten wurde über das Volksbegehren „Essen nicht
wegwerfen!“, das von insgesamt 126.767 Personen und somit 2 % der
Stimmberechtigten unterstützt wurde. Dieses fordert nach dem Vorbild
von Frankreich, Italien und Tschechien strenge Gesetze zur Bekämpfung
von Lebensmittelverschwendung. Damit sollen nicht mehr
verkaufsfähige, aber noch genießbare Lebensmittel verpflichtend an
gemeinnützige Organisationen gespendet werden.
Einigkeit unter den Abgeordneten herrschte über den Bedarf zur
weiteren Reduktion von Lebensmittelverschwendung. In einem einstimmig
angenommenen Entschließungsantrag wird die Regierung ersucht,
bestehende Maßnahmen zu evaluieren sowie Maßnahmen aus anderen
Ländern auf ihre Wirksamkeit und Anwendbarkeit zu prüfen. Zudem soll
ein „Aktionsplan nachhaltige öffentliche Beschaffung“
Lebensmittelabfälle reduzieren.
Das Thema der Lebensmittelverschwendung habe man schon länger „am
Tableau“, den „großen Durchbruch“ habe man aber bisher nicht
erreicht, kritisierte Peter Schmiedlechner (FPÖ). Auch der von der
Dreierkoalition vorgelegte Antrag beinhalte keine konkreten Maßnahmen
und Vorschläge, um die Bevölkerung, die Lebensmittelindustrie und den
Handel in die Pflicht zu nehmen. Dem schloss sich FPÖ-Mandatar Thomas
Spalt an. Obwohl es seitens der FPÖ Zustimmung gebe, handle es sich
bei dem Antrag um „inhaltsleere Showpolitik“. Die Regierungsparteien
hätten es in den vergangenen vier Monaten nicht geschafft, in diesem
„wichtigen Bereich“ Maßnahmen zu setzen. Die Reduktion der
Lebensmittelverschwendung sei ein „Gebot der Vernunft und der
Verantwortung gegenüber den Bauern und der Umwelt“. Da sich bei der
Verschwendung in den letzten zehn Jahren nichts geändert habe, sprach
sich Peter Wurm (FPÖ) dafür aus, die Regeln auf nationaler sowie auf
EU-Ebene zu ändern. Da mehr als die Hälfte der
Lebensmittelverschwendung auf die Privathaushalte zurückzuführen sei,
müsse man Kindern wieder beibringen, was Lebensmittel bedeuten und
was man damit machen kann, so Wurm.
In eine ähnliche Kerbe schlug Olga Voglauer (Grüne). Evaluieren
sei „eindeutig zu wenig“, es gehe darum, dass die Bundesregierung
Maßnahmen gegen die Verschwendung setze. In diesem Sinne sei es auch
nicht gerechtfertigt, dass Menschen die Lebensmittel durch
sogenanntes „Dumpstern“ retten, nicht „vor dem Bezirksrichter
landen“, so die Grünen-Mandatarin.
Das Thema Lebensmittelverschwendung brenne vielen Menschen „unter
den Nägeln“, betonte Martina Diesner-Wais (ÖVP). Es sei
unverständlich und schmerzvoll, wenn Lebensmittel einfach weggeworfen
werden würden. In den letzten Jahren habe man jedoch konkrete
Maßnahmen gesetzt, wie etwa die Umsatzsteuerbefreiung für gespendete
Lebensmittel. Das sah Carina Reiter (ÖVP) ähnlich, die auf die
Transparenzpflicht für Lebensmittelhändler bei der Entsorgung und
Spendentätigkeit sowie auf die digitale Lebensmitteldrehscheibe
„Kostbar Markt“ verwies. Diese soll als Brücke zwischen
überschüssigen Lebensmitteln aus Landwirtschaft und Produktion und
den sozialen Einrichtungen fungieren.
Obwohl sich viele Familien den täglichen Einkauf schwer leisten
könnten, würden jährlich rund 600.000 Tonnen Lebensmittel in
Österreich weggeworfen, zeigte sich Julia Elisabeth Herr (SPÖ)
alarmiert. Dabei handle es sich neben der sozialen auch um eine
ökologische Frage. Mit dem Antrag wolle man als öffentliche Hand
vorangehen, evaluieren und nachschärfen. Lebensmittel wegzuwerfen sei
„eine der größten Verschwendungen unserer Zeit“, unterstrich Franz
Jantscher (SPÖ). So gebe es etwa bei der Transparenz in der
Produktion und im Handel sowie bei der Wertschätzung der
Konsument:innen noch „Luft nach oben“. Der SPÖ-Abgeordnete
appellierte dabei an die Eigenverantwortung der Menschen. Antonio
Della Rossa (SPÖ) sprach sich für die Einführung von verbindlichen
Reduktionszielen „vom Acker bis zum Teller“ aus. Zudem sei ein „Anti-
Wegwerf-Gesetz für Tierprodukte“ anzudenken.
Auch für NEOS-Abgeordnete Ines Holzegger (NEOS) braucht es
Maßnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung. Holzegger plädierte
für einfache, unbürokratische und nachhaltige Lösungen. So könne etwa
die Digitalisierung ein Schlüssel für die bessere Verteilung zwischen
Händlern, Erzeugern und sozialen Organisationen sein.
Volksbegehren „Nein zu Atomkraft-Greenwashing“
Ein weiteres, von insgesamt 105.955 Menschen (1,67 % der
Stimmberechtigen) unterstütztes, Volksbegehren wendet sich dagegen,
Atomstrom auf EU-Ebene als nachhaltige Energieform anzuerkennen.
Investitionen in erneuerbare Energien würden mit jenen in Atomkraft
gleichgestellt, kritisieren die Initiator:innen. Damit werde aber das
Ziel der EU-Taxonomie-Verordnung, Gelder in Bereiche zu lenken, die
der Erreichung der Umweltziele dienen, falsch umgesetzt.
Alexander Petschnig (FPÖ) begrüßte die parteiübergreifende
Ablehnung der Atomkraft in Österreich. Den Ausbau der Kernkraft in
Europa wertete der FPÖ-Mandatar jedoch als Kehrseite der in den
letzten Jahren vorangetriebenen Forcierung von erneuerbarer Energie.
Der Bau von Atomkraftwerken passiere nicht aus Überzeugung sondern
sei von der Energiewende und dem Green Deal „provoziert“. Dem schloss
sich Paul Hammerl (FPÖ) an, der das mit dem Volksbegehren zum
Ausdruck gebrachte „deutliche Nein“ zur Atomkraft begrüßte. Es
brauche aber einen „ehrlichen Blick“ auf die Energieversorgung in
Europa. Hammerl ortete eine Diskrepanz zwischen den Klimazielen 2040
und der bis dahin prognostizierten Verdoppelung des Stromverbrauchs.
Zudem stelle die geplante Ausweitung der CO2-Bepreisung auf die
thermische Abfallverwertung eine Verteuerung für die Konsument:innen
dar.
Er unterstütze das Anliegen, dass Atomkraft nicht als nachhaltige
Energieform im Rahmen der EU-Taxonomie-Verordnung eingestuft werden
dürfe, betonte Friedrich Ofenauer (ÖVP). Nichts abgewinnen konnte der
ÖVP-Abgeordnete aber der im Volksbegehren formulierten Ansicht, dass
man durch ein nationales Bundesverfassungsgesetz die nachhaltige
Einstufung der Atomkraft auf europäischer Ebene verhindern könne.
Österreich habe bereits dagegen geklagt, man wolle nun vorerst die
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) abwarten.
Dem schloss sich Roland Baumann (SPÖ) an. Ein Urteil werde für
dieses Jahr erwartet. Es gehe grundsätzlich darum, nachfolgenden
Generationen einen intakten Planeten zu hinterlassen. Bei zu geringem
Ausbau erneuerbarer Energien bleibe aber nichts anderes übrig, als
Atomstrom aus dem Ausland zu importieren. Mit dem „Greenwashing“ auf
EU-Ebene werde ein „gefährlicher Anreiz“ für den Ausbau der
Atomenergie geschaffen und große Atomkonzerne anstatt dem Ausbau
erneuerbarer Energien gefördert, zeigte sich Peter Manfred Harrer (
SPÖ) besorgt.
Michael Bernhard (NEOS) teilte die inhaltlichen Anliegen des
Volksbegehrens. Österreich wolle im Inland und in Grenznähe keine
Atomkraftwerke oder Endlager. Zudem dürfe Kernenergie nicht als
„grüne Energie“ gelten.
Es dürfe nicht gelingen, „dass die Atomkraft mit billigem
Etikettenschwindel ein Comeback feiert“, unterstrich Grünen-
Klubobfrau Leonore Gewessler. Zudem bremse die Kernenergie das
Voranschreiten der Energiewende und binde „Milliarden an
Finanzmittel“. Das Volksbegehren sei ein Auftrag, Österreichs Klage
vor dem EuGH „mit voller Vehemenz“ weiterzuführen. (Fortsetzung
Nationalrat) med
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können
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